Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
fahren und würde wegen der Staus fast sechs Stunden brauchen, zwei Stunden zu viel. Normalerweise raste er nicht. Aber er spürte, dass er keine Zeit hatte. Klein hatte keinen Druck gemacht, jedenfalls nicht direkt. Aber es war klar, dass etwas geschah, das die Arbeit des Dienstes in Russland bedrohen könnte. Es erinnerte ihn an die schwarze Serie der CIA Mitte der Achtziger jahre, als das KGB die gesamte Spionage der Amis in der Sowjetunion stilllegte, auch weil die Agency an der falschen Stelle nach dem Maulwurf gesucht hatte. Es war ein Blutbad gewesen. Und jetzt fürchtete Klein, und seine großen Chefs fürchteten es auch, dass dem BND Ähnliches widerfahren könnte. Natürlich im Kleinfor mat, man war ja nicht die CIA . Aber ein paar Spione führten sie doch, Selbstanbieter meistens. Es war ein Scheißgefühl, wenn Agenten, die man mühsam ge wonnen hatte und die sich einem anvertraut hatten, im Knast verschwanden oder im Hinrichtungskeller von Lefortowo. Was hast du falsch gemacht? Hast du den Fehler gemacht, der dem Menschen, der dir vertraut hat, das Leben kostete? Eine Schlamperei? Ein Maulwurf? Was hast du übersehen? Hat das Opfer nicht aufgepasst? Hat es dem Druck und der Angst nicht mehr widerstehen können, und du hast es nicht gemerkt? Hast du den Schweiß auf der Stirn nicht gesehen, das schlecht verborgene Zittern der Hände, die leeren oder angstvollen Augen? Es blieb immer etwas, das genügte, einem den Schlaf zu rauben. Manche Großmäuler sagten lässig, so sei das Geschäft. Wer sich darauf einlasse, wisse, was er tue. Ohne Risiko gehe es nicht. Wer die Gefahr suche, komme darin um. Aber keiner von denen, die so abgebrüht taten, schlief nachts gut, wenn sie selbst in so einer Geschichte mit drinhingen. Keiner. Da war sich Theo sicher.
    Er fluchte über einen Duisburger Lastwagenfahrer, der an der Ausfahrt Offenburg plötzlich nach links zog, Theo zum Bremsen zwang und seelenruhig ein Elefantenrennen begann, wobei er sich bestenfalls millimeterweise an einem rumänischen Lkw vorbeischob. Theo nutzte mehrfach die Lichthupe, obwohl er wusste, dass es nicht helfen würde. Behalt die Nerven, mahnte er sich. Du triffst deinen Vater, was soll’s? Und dass der sich nicht um dich gekümmert hat, das ist abgehakt. Jedenfalls hat es nichts mit dem Dienst zu tun.
    Er hatte Klein wieder im Ohr, der ihn so eindringlich angeschaut hatte. »Wenn wir da ein Leck haben, dann finden und stopfen Sie es. Beeilen Sie sich. Tun Sie alles, was Sie für nötig halten. Aber vergessen Sie nicht, dass wir nicht zu Ihnen stehen werden, wenn es hart auf hart kommt.«
    »Ein Himmelfahrtskommando«, hatte Theo gesagt. Er fand es dann selbst etwas pathetisch.
    »Na ja.«
    »Um Sie richtig zu verstehen: Ich soll alles tun, was nötig ist. Egal, was im Gesetzbuch steht.«
    »Geheimdienste brechen Gesetze, sonst wären sie keine Geheimdienste. Wenigstens die Gesetze der Länder, in denen sie operieren. Sie sollten sich nur nicht erwischen lassen. Und wenn doch, dann werden wir Sie nicht kennen.«
    »Erfreuliche Aussichten«, sagte Theo. »So was hatte ich mir schon immer mal gewünscht. Wenn ich Erfolg habe, kriege ich einen Bürojob, bis Gras über die Sache gewachsen ist, wie aufregend. Wenn etwas schiefgeht, dann vergammle ich in einem Russenknast, und niemand kümmert sich um mich.«
    »Vielleicht können wir im letzteren Fall die Dienstjahre anrechnen«, sagte Klein, und fast schien es, als würde er grinsen. »Lieber wäre es mir natürlich, Sie könnten uns solche Komplikationen ersparen. Sie wissen ja, wie stur Behörden sein können. Fragen Sie Ihren Vater. Der ist damals leider unter nicht nur erfreulichen Umständen vorzeitig in den Ruhestand gegangen. Seitdem redet er nicht mehr mit uns. Aber Ihnen sollte er sagen, was er weiß.«
    »Vielleicht hat es gar nichts damit zu tun. Mit Anfang der Achtzigerjahre.«
    »Bis August 1985 haben Ihr Vater und Scheffer zusammengearbeitet. Kann sein, dass da etwas vorgefallen ist, das uns erklärt, warum Scheffer starb. Vielleicht ist alles ganz anders. Es steht Ihnen frei, Ihre Untersuchung woanders zu beginnen. Sie könnten die Akten durchsehen, die Scheffer bearbeitet hat, Berichte aus Moskau, Quittungen, Notizen. Das sollten Sie auf jeden Fall tun. Aber wenn ich Sie wäre …«
    Theo winkte ab. »Ist klar.«
    Der Duisburger Laster hatte tatsächlich ein paar Zentimeter gutgemacht. Und Theo spürte neben seiner Ungeduld, wie er nervös wurde. Je näher er dem Vater kam, desto
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher