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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz
Autoren: Roman Rausch
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schenken. Ihre Aufmerksamkeit war vollkommen von diesem Moment der Schönheit gefesselt. Sie glaubte, die Stimme der Sängerin Lisa Gerrard zu hören.
Now We Are Free
. Das Lied, mit dem sie nur wenige Stunden zuvor in einen tiefen, entspannten Schlaf gesunken war. Seine Hand lag in der ihren, und seine Wärme würde für ein ganzes Leben reichen.
    Sie trank den Kaffee aus, stellte die Tasse auf die Anrichte und ging an Gerald vorbei in den Flur. Sie lächelte zufrieden, während sie den Mantel überstreifte und den selbst gestrickten Schal um den Hals schlang.
    «Funktioniert die Heizung auch wieder?», rief sie in die Küche.
    Gerald antwortete nicht.
    Soll er weiter schmollen, dachte sie und zwängte die Finger in die Handschuhe. Jetzt hinaus in einen neuen, wunderbaren Tag.
    Ihr alter Fiat Uno stand rückwärts geparkt vor dem Garagentor. Dann war wohl alles in Ordnung. Der Schlüssel öffnete die Tür problemlos, und auch der Motor sprang nach der zweiten Zündung an. Nachdem Francesca und Lucca aus dem Gröbsten heraus waren, hatte sie sich vor einem Jahr ihren größten Wunsch erfüllt: ein eigenes Auto.
    Verloren stand er am Ende einer Reihe von schicken Kleinwagen, die eigens für die weiblichen Kunden entworfen worden waren. Doch diese herzlosen Kisten interessierten sie nicht. Sie wollte den schwarzen Uno. Den gleichen, mit dem sie vor vielen Jahren ihre ersten Ausflüge nach Italien unternommen hatte. In die Toskana, nach Venedig und sogar bis nach Rom hatte er sie gebracht. Nicht immer problemlos, aber immer bis ans Ziel.
    Was holprige Straßen und der TÜV nicht schafften – den Uno aus den Verkehr zu ziehen   –, erzwang die Geburt ihres ersten Kindes Francesca. Mit dem Verlust ihres eigenen Autos hatte sie auch ihre Unabhängigkeit aufgegeben. Francesca und später Lucca entschädigten sie zwar für vieles, aber dieses Gefühl, jederzeit gehen zu können, war mit dem Uno verschwunden.
    Gerald konnte argumentieren, wie er wollte, dieser schwarze Uno würde sie zurück auf die Straße bringen. Der Kaufpreis, lächerliche achthundert Euro, war von ihrem Gehalt problemlos zu finanzieren, auch wenn sie sich das Geld vorab von Gerald leihen musste.
    Die Rückzahlung war endlich geschafft, als die nächste Hürde anstand. Der alte Kassettenrecorder taugte nicht mehr. Zu Weihnachten hatte er ihr den Wunsch erfüllt und eine Stereoanlage eingebaut, die den Wert des Wagens auf das Doppelte erhöhte.
    Und genau das brauchte sie jetzt, bevor sie den Gang einlegte. Musik. Sie drückte den Knopf.
Ray of Light
, Madonna. Etwas schnell für den frühen Morgen, aber es machte Laune. Sie blickte in den Rückspiegel, als sie die Auffahrt verließ. Gerald stand in der Haustür und schaute ihr nach. Heute Abend würde sie mit ihm sprechen, wenn die Kleinen im Bett waren.
    Die Brücke, die hinüber auf die B13 führt, lag ganz vom Nebel eingenommen. Sie musste aufpassen, damit sie nicht auf ein wartendes Auto auffuhr. Wenn sie nur besser sehen könnte. Die Scheibenwischer quälten sich über die Windschutzscheibe. Von ihnen war nicht viel Hilfe zu erwarten. Und jetzt beschlugen auch noch die Fenster. Sie drehte den Schieber für die Lüftung auf. Nur kalte Luft kam heraus. Es war noch zu früh. Der Uno musste erst warm werden. Bis dahin wischte sie mit den Wollhandschuhen über die Scheibe. Das hätte sie besser bleiben lassen. Die Rücklichter der vor ihr fahrenden Fahrzeuge wurden durch die Schlieren verzerrt, sie konnte den Abstand nur noch erahnen.
    Kurzerhand kurbelte sie das Seitenfenster herunter und schaute hinaus. Nach dem nächsten Auto würde sie auf die B13 auffahren können. Noch einmal zurückgeschaut, ja, da war eine Lücke. Sie drückte aufs Gas, und der Uno fädelte ruckelnd in den Morgenverkehr ein. Geschafft. Wenn jetzt noch bei Randersacker alles frei war, konnte sie noch rechtzeitig über die Ebertsklinge die Universität erreichen. Sie kurbelte das Seitenfenster hoch und wartete auf den warmen Luftstrom, der ihr endlich genügend Sicht auf den Verkehr verschaffen würde.
    Eibelstadt passierte sie problemlos. Allmählich sollte aus den Schlitzen mal warme Heizungsluft kommen, dachte sie. Sie schob die Schieber hin und her, klopfte und schlug auf die Verkleidung. Vielleicht hatte sich was verklemmt. Doch sie traktierte nur den C D-Player , der zum nächsten Lied hüpfte.
    Frozen
. Sie schmunzelte. Madonnas Video fiel ihr dazu ein. Sie, in einem schwarzen Kleid in der Wüste, mit wunderschönen
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