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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz
Autoren: Roman Rausch
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beantwortet.
    Erschrocken wichen sie zurück. «Verdammte Scheiße, da ist einer begraben.»
    «Was hast du anderes erwartet, du Spast. Wir sind auf einem Friedhof.»
    «Der Friedhof ist da drüben, nicht hier.»
    «Aber in der Nähe.»
    «Was machen wir jetzt?»
    Sven stand auf und griff nach einer Flasche. «Ganz einfach. Wir saufen einen auf ihn.»
    «Du bist krank.»
    «O Mann, der kann uns nichts mehr tun. Der ist tot. Also, wer trinkt einen mit? Auf das verschissene Wohl eines Toten.»
    Niemand wollte in den Trinkspruch mit einstimmen. Sven setzte die Flasche an. Noch bevor er zu Ende trinken konnte, stoppte er. «Wer heult denn hier?»
    «Was quatschst du da?»
    «Hört ihr das nicht?»
    «Was denn?»
    «Da heult einer.»
    Stumm lauschten sie in die Nacht. Ja, jetzt hörten auch sie es. Ein Weinen, ein Wimmern, das allmählich lauter wurde. Sie blickten sich um. Woher kam das?
    Aus den Sträuchern, die sich entlang der Friedhofsmauer zogen, erstrahlte ein Licht, einer Kugel gleich, die rasch an Größe und Helligkeit gewann. Sie erhob sich in die Nacht. Aus ihr bildete sich eine Form. War zuerst die Silhouette eines Rocks erkennbar, so wurde schnell daraus ein Kleid und dann eine menschliche Gestalt, die es am Körper trug. Auf ihrem Kopf wuchsen lange weiße Haare. Sie wehten im Wind, wo keiner war.
    Die Jungen wichen erschrocken zurück. Der Erste suchte sein Heil in der Flucht, der Zweite folgte. Auch Thomas rannte davon. Nur Sven blieb wie versteinert stehen. Die Gestalt schwebte einige Meter über dem Boden auf ihn zu. Sie schluchzte und klagte laut. Sven erkannte in ihr eine Frau – weiß wie der Schnee, mit roten verweinten Augen.
    Nun endlich kapierte er, dass er schnell verschwinden musste. Er rannte ziellos ins Dunkel hinein – die Weiße Frau auf den Fersen.

3
    Nachdem der letzte Stein entfernt worden war, hatten die Fliegen endlich ungehinderten Zugang zur Leiche.
    Rechtsmedizinerin Dr.   Pia Rosenthal strich mehrmals durch die Luft, um sie zu vertreiben. Ergebnislos. Sie fanden schnell Zuflucht in den offenen Höhlen des Schädels.
    «Beeil dich, bitte», drängte sie den Kollegen von der Spurensicherung an ihrer Seite, der die Auffindesituation mit dem Fotoapparat dokumentierte.
    Der Körper lag wie ein Embryo kauernd seitlich in einem Loch, das scheinbar eigens für ihn ausgehoben worden war. Es war nicht tief, aber ausreichend, um den Körper zu fassen. Das Gesicht des Mannes war mit weißen Schimmelpilzen überzogen. An den Lippen, der Nasenspitze und an den Ohrmuscheln zeigte sich Tierfraß. Die Wunden waren sauber, ohne Anzeichen von Blut. Der Mann war demnach nach Eintritt des Todes hier verscharrt worden.
    Obwohl es noch nicht einmal acht Uhr morgens war, brannte die Sonne heiß vom klaren Himmel. Einer der schwarz gekleideten Bestatter, die den Leichnam nach der Freigabe ins gerichtsmedizinische Institut überführen würden, hatte einen Regenschirm über Pia ausgebreitet. Der andere stand mit verschränkten Händen ein paar Meter entfernt. Der Schweiß lief ihm über die Stirn, und er fing ihn gelegentlich ohne Hast mit einem Taschentuch auf.
    Das Motorgeräusch eines sich nähernden Fahrzeugs ließ Pia aufblicken. Jenseits eines ausgetrockneten Wasserkanals der Flurbereinigung stiegen die Kommissare Kilian undHeinlein aus. Sie gingen ein paar Schritte und erreichten ihren Kollegen Karl Aumüller, der sich des zweiten Opfers angenommen hatte. Ein junger Mann lag leblos im Wasserkanal. Sie wechselten ein paar Worte, dann kamen sie auf Pia zu.
    «Ich bin fertig. Du kannst ihn haben», sagte der Kollege mit dem letzten Klick seiner Kamera.
    Pia nickte stumm. Bevor sie die Leiche von den Bestattern aus dem Loch bergen ließ, wartete sie die Ankunft der Kommissare ab. Sie näherten sich wie zwei Desperados in der Wüste. Jeder Schritt löste eine kleine Staubwolke auf dem ausgetrockneten Acker aus. Während Kilian dem Wetter angemessen in Jeans und weißem Hemd gekleidet war, saugte Heinleins dunkler Anzug jeden Sonnenstrahl in sich auf.
    «Ihr kommt gerade richtig», begrüßte Pia sie.
    Kilian nahm die Sonnenbrille ab und ging über der Leiche in die Hocke. Der strenge Verwesungsgeruch schien ihn nicht zu stören. «Was haben wir hier?», fragte er und vertrieb die Fliegen.
    Pia beugte sich zu ihm hinunter. «Ich kann noch nicht viel sagen. Eine männliche Leiche. Alter Ende fünfzig, vielleicht sechzig Jahre.» Sie zeigte auf eine Zertrümmerung des rechten Hinterkopfs, die unter
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