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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz
Autoren: Roman Rausch
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noch einmal getroffen?»
    «Nein. Der Arsch kann mir gestohlen bleiben.»
    Kilian holte zur Kardinalfrage aus. «Was sind das für Flecken an deinem Ärmel?»
    Thomas schob ihn zurück und zeigte eine Schürfwunde am Unterarm.
    «Woher hast du das?», fragte Heinlein.
    «Keine Ahnung.»
    «Erinnere dich!», fuhr Heinlein ihn an.
    Kilian versuchte die Situation zu retten. Freundlich, aber bestimmt wandte er sich an den Jungen. «Thomas, es ist sehr wichtig, dass du uns jetzt die Wahrheit sagst. Woher stammt die Wunde?»
    «Hab ich doch gesagt.»
    «Nichts hast du», explodierte Heinlein.
    «Ich glaube, sie stammt vom Kampf», erklärte Linus.
    «Welcher Kampf?»
    «Na, als die beiden oben auf der Marter rumgeturnt sind. Tom wollte Sven eine verpassen, und dann sind sie mitsamt der Säule abgestürzt.»
    «Ja, kann sein», stimmte Thomas zu. «Ich glaube, ich hab da was gespürt.»
    Heinlein zischte ihn leise an. «Gnade dir Gott, wenn du lügst.»
    «Ich denke, das reicht erst mal», sagte Kilian und beendete damit die Befragung. «Die Kollegen bringen euch zur Blutentnahme ins Krankenhaus und dann nach Hause. Schlaft euch aus. Wir sprechen uns später wieder.»
    Damit war es noch nicht getan. Kilian musste Thomas’ Jacke sicherstellen. «Zieh sie aus», sagte er.
    Heinlein wusste genau, was nun folgte. Die Blutspuren würden auf Sven hin untersucht. Würden sie zu ihm gehören, bestünde Anfangsverdacht gegen seinen Sohn. Das war nicht zu vermeiden.
    «Was ist mit Sven?», fragte Linus ahnungslos.
    «Was soll mit ihm sein?», antwortete Kilian.
    «Irgendwo muss er sich ja noch rumtreiben. Wollt ihr ihn nicht endlich mal suchen?»

4
    Du hältst die Weiße Frau für ein Gerücht? Für ein Ammenmärchen, mit dem man vielleicht noch kleinen Kindern Angst machen kann? Aber dir, einem aufgeklärten und erwachsenen Menschen, der Internet und Aktienkurse für unbestreitbare Realitäten hält, vermag dabei nicht mehr als ein Schmunzeln über die Lippen zu kommen?
    Dann amüsier dich, solange du noch kannst. Ich kenne viele von deiner Sorte. Ihr könnt nur zulassen, was euch nicht zweifeln lässt. Wäre es anders, würde eure Sicherheit ins Wanken und euer Leben aus der Bahn geraten.
    Aber sieh dich vor. Dieser Täuschung sind bereits viele vor dir erlegen. Sie wollten erst glauben, als es zu spät für sie war. Sie wurden ohne Vorbereitung aus dem Leben gerissen.
    Der Tod kommt in vielen Gestalten. Die Weiße Frau ist nur eine von ihnen. Sie ist die Wächterin an der Schwelle zwischen dem Hier und dem Dort. Sie warnt dich, einzuhalten, wenn noch Zeit dafür ist. Hör auf sie, damit der nächste Schritt nicht dein letzter ist. Seit vielen Jahren geht sie an meiner Seite als treue Gefährtin.
    Nachdem meine Großmutter gestorben war und mein Großvater ihr aus Gram bald darauf folgte, war ich allein. Ich spürte keine Angst, denn ich wusste, Großmutter wachte vom Himmel aus über mich. Gern wäre ich in unserem Haus geblieben. Hier fühlte ich mich sicher und beschützt. Die Menschen konnten das nicht verstehen. Sie brachten mich zu einer fremden, aber mich liebenden Familie. Zu allem Glück gewann ich eine Schwester hinzu. Sie war in meinem Alter,und wir verstanden uns vom ersten Augenblick an. Wann immer die Arbeit auf Feld und Hof getan war, spielten wir bis in den Abend hinein. Bald konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, als einziges Kind geboren worden zu sein und meine alte Familie überlebt zu haben. Wir gehörten zusammen, und niemand würde etwas daran ändern können.
    Im Sommer spielten wir oft unten am Teich. Niemand kam den weiten Weg vom nächsten Dorf zu uns heraus, sodass wir tun und lassen konnten, wonach uns war. Wir badeten immer ohne Kleider, obwohl uns Mutter das verboten hatte. Es sei nicht anständig, schimpfte sie uns, wenn die Nacktheit für jedermann offenbar wurde. Damit hatte sie nicht ganz unrecht, denn wir spürten bereits erste Anzeichen des Erwachsenwerdens an unseren Körpern. Ein fremder Mann, der uns vielleicht in der Einsamkeit des Teichs unbemerkt beobachtete, hätte sich dadurch verleitet fühlen können.
    Der Teich war an einer Stelle flach, und man betrat das Wasser ohne Gefahr. Vor dem Morast am Grund musste man sich jedoch in Acht nehmen. Er war tief und unberechenbar. Wer sich darin verfing, hatte Schwierigkeiten, sich selbständig aus dem modrigen Gestrüpp zu befreien. Doch auch das schreckte uns nicht. Wir waren zwei, die immer aufeinander achteten.
    Auf das Planschen am Ufer
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