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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen
Autoren: Burkhard Rüth
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von Rein in Taufers aus. Mehr als siebzehnhundert Meter Höhenunterschied, einige Klettereien, ein Gletscher. Diesmal musste er wenigstens nicht mutterseelenallein über einen nervenaufreibenden Klettersteig zu einem Treffpunkt kommen. Andererseits hatte ihn dieses Erlebnis geradezu beflügelt – die Ausgesetztheit, die Erfahrung, über sich selbst hinauszuwachsen. Klettern schien wie eine Droge zu wirken.
    In diesem Moment bemerkte er allerdings ein leichtes Kratzen im Hals. Hatte er sich beim Joggen unterkühlt? Dann könnte er den Gipfel vergessen.
    ***
     
    »Du weißt Bescheid. Im Laufe dieser Woche bekommst du die Eckdaten von Rödderlinks Expansionsplänen. Der Geschäftsplan soll binnen zwei Wochen fertig sein, der wird dir dann wie immer von SSP automatisch zugeschickt. Sorg bis dahin dafür, dass alle Anträge ausgefüllt sind, damit schnell Kohle fließt.«
    »Sollen wir nicht dieses eine Mal auf unseren Zuschlag verzichten? Wäre doch kein Drama, wenn wir uns einmal zurückhalten, nicht wahr. Immerhin sind sie uns auf die Schliche gekommen. Von offizieller Seite, nicht wahr!«
    »Mein Gott, was bist du für ein armseliger Feigling. Erst kassierst du jahrelang ab, dann ziehst du wegen eines fernen Donnergrollens sofort den Schwanz ein. Wenn ich das schon höre, offizielle Seite! Da hat jemand blind rumgestochert, das ist alles.«
    »Du hast gut reden, bei dir haben die Leute nicht angerufen.«
    »Und du hast ihnen exakt das gesagt, was du ihnen sagen solltest. Alle haben dir geglaubt, dass es sich um eine reine Routineangelegenheit handelt. Niemand hat weiter nachgefragt oder tiefer gebohrt. Wie ich es vorhergesagt habe. Du solltest inzwischen begriffen haben, dass meine Pläne perfekt sind. Ich mache niemals Fehler! Also vertrau mir gefälligst und hör auf, so einen Blödsinn zu verzapfen!«
    »Das hast du in den falschen Hals gekriegt. Selbstverständlich vertraue ich dir, nicht wahr. Sollten wir uns nicht trotzdem ein Weilchen zurückziehen? Wenn sich die Lage wieder beruhigt hat, können wir weitermachen, der Rahmen dafür ist perfekt, nicht wahr.«
    »Bist du bescheuert? Hast du auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, dass das dann wirklich verdächtig wäre? Sparfonds, Krisenzeiten, Schutz von Steuergeldern, blablabla, fertig. Du machst genauso weiter wie besprochen. Du hast es doch ohnehin leicht, weil ich dir alles vorkaue. Du treibst mich wirklich zur Weißglut!«
    »Entschuldige, du hast ja recht. Ich hab halt nicht so dicke Nerven wie du, nicht wahr. Wann sehen wir uns wieder?«
    »Unser Plan muss ohne allzu viel Kontakt laufen. Die anspruchsvollen Jobs wirst du wie üblich mir überlassen, dann kann nichts schiefgehen. Ciao.«
    Was für ein unsägliches Getier. Dieses ewige, nervige »nicht wahr«, widerlich. Eines war klar: Wenn sich die Wogen nicht bald wieder glätteten, würde der Kakerlak so nervös werden, dass er sich irgendwann verplapperte. Auch wenn das für ihn selbst nicht sonderlich gefährlich war, wusste man nie, wie ein in die Enge getriebener Wicht reagieren würde. Angeschossene Wichte waren unzurechnungsfähig. Er würde handeln müssen. Aber jetzt noch nicht. Es machte zu viel Spaß, mit dieser Laborratte zu experimentieren, sie zu konditionieren. Außerdem gab es Wichtigeres zu tun.

3
     
    Rein in Taufers, Samstag, 20. Juni
     
    Es war die übliche Runde, die sich zu einer Bergtour traf: Arthur Achatz und die Berater der SSP – Klaus Mantinger, Franz Junghans, Fabio Franco, Ernesto Panzini und Sabrina Parlotti. Sie hatten sich am Vorabend im Hotel Hochgall einquartiert, um am nächsten Morgen zeitig aufbrechen zu können.
    Diesmal jedoch schlossen sich ihnen zum ersten Mal zwei weitere Mitwanderer an, Salvatore Gemini und Hans-Georg Schimmel, die Firmeninhaber, die jedoch erst morgens aus Bozen angereist waren. Klaus Mantinger, Organisator der Tour und ein sonnengebräunter, durchtrainierter Läufertyp, sah die beiden zuerst. » Buongiorno , Signor Gemini, warten Sie schon lange?«
    »Keineswegs, Signor Mantinger, wir sind gemütlich durch den Ort gelaufen. Wunderschön hier, richtig paradiesisch.«
    »Dann dürfen Sie sich auf die Kofler-Alm freuen. Wenn wir da sind, haben Sie einen unbeschreiblichen Blick in die Rieserferner.«
    Salvatore Gemini war Geschäftsführer und zugleich Mitbegründer der SSP, ein undurchsichtiger, distanzierter Mensch, hager, drahtig, mit einem schmalen und kantigen Gesicht. Achatz hatte ihn von Anfang an nicht gemocht. Allerdings hatte
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