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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen
Autoren: Burkhard Rüth
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ausgezeichneten BWL-Abschluss, also war er nicht dumm. Es reichte für eine friedliche Koexistenz.
    Da war ihm Ernesto Panzini mit seiner unprätentiösen Art bedeutend lieber. Panzini war Ende vierzig, er hatte zwar nicht studiert, aber am meisten Praxiserfahrung, was für ihre Projekte von großem Vorteil war. Er war eher zurückhaltend, und vielleicht mochte ihn Achatz genau deshalb, weil das auch einer seiner eigenen Charakterzüge war.
    Oder Sabrina Parlotti – was für eine außergewöhnliche Frau! Sie hatte in Harvard studiert, beherrschte neben den für eine Beratertätigkeit im zweisprachigen Südtirol unverzichtbaren Sprachen Deutsch und Italienisch zusätzlich Englisch und Französisch. Damit konnten sie Unternehmen aus vielen europäischen Ländern beraten. Achatz fand sie ziemlich attraktiv. Und er hatte sie gern, weil sie so warmherzig und zuvorkommend war. Dennoch hegte er für sie eher väterliche als erotische Gefühle, denn für ihr Alter – sie war dreiundvierzig – war sie von einer ungewöhnlichen Arglosigkeit.
    Mit Südtirol hatte Arthur Achatz sich eine Welt erschlossen, die für ihn neu war. Und aufregend! Er fühlte sich dort inzwischen fast schon heimisch. Immer häufiger blieb er nach einer Projektwoche noch ein paar Tage dort, um mit den Kollegen von der SSP Bergtouren zu machen. Einer von ihnen, Klaus Mantinger, war nicht nur Berater, sondern auch ein echter Bergfex, der jedes Mal herrliche Touren plante. Er war wie Junghans schon seit rund zehn Jahren Seniorberater der SSP, charismatisch, BWL-Studium mit Einser-Examen, trotzdem ein unkomplizierter, unterhaltsamer Typ ohne Allüren.
    Im Geiste sah er das gesamte Team der SSP vor sich. Waren wirklich Betrüger unter ihnen? Tief in seine Gedanken versunken, blieb Achatz für einen Moment mitten in seinem Wohnzimmer stehen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und blickte ins Leere. Der Schweiß tropfte ihm inzwischen vom Kinn auf sein Hemd, er merkte es nicht.
    Wie glücklich waren die letzten Jahre gewesen! Er war unabhängig, verdiente mit weniger Aufwand mehr Geld als bei der KOMPAG. Eigentlich könnte er restlos zufrieden sein – gäbe es da nicht diese merkwürdigen Zahlungen seiner Kunden an die Liechtensteiner IFS – International Financial Services, die ihm auf Kontoauszügen aufgefallen waren. Die Zahlungen standen im Zusammenhang mit ausgezahlten Fördergeldern, und auf den Überweisungsträgern standen »Anlagetransfer«, »Krisenrücklage« oder ähnliche Verwendungszwecke. Bei der SSP und der Wirtschaftsförderung hatten sie ihm erklärt, dass es sich um einen staatlich organisierten Krisenfonds handele, um einen Spargroschen für Südtiroler Unternehmen, die in eine finanzielle Schieflage gerieten.
    So etwas konnte man ihm als gestandenem Berater allerdings nicht weismachen. Also hatte er mit seinen Nachforschungen begonnen und schließlich auf eigene Kosten einen Privatdetektiv engagiert, Peter Farmer, Spezialist für Wirtschaftskriminalität. Von Farmer wusste er inzwischen, dass die Zahlungen an die IFS wohl tatsächlich nicht sauber waren, doch auch Farmer konnte die Transfers bis jetzt weder erklären noch feststellen, wer hinter diesen Deals stand. Wahrscheinlich war der Drahtzieher tatsächlich jemand von der SSP, denn man musste dafür den Kunden sehr gut kennen und ausgezeichnete Kontakte in Südtirol haben.
    Plötzlich durchbrach ein ohrenbetäubender Donnerschlag die Stille in seiner Wohnung hoch oben über den Dächern von Augsburg und riss ihn aus seinen Gedanken. Ein mächtiges Gewitter war aufgezogen. Sekunden später ergoss sich eine Sintflut über die Stadt. Um ihn herum wurde es Nacht. Er schaltete das Licht nicht ein, sondern stellte sich vor sein Fenster, beobachtete geistesabwesend die Blitze, die die Dunkelheit für den Bruchteil einer Sekunde durchbrachen. Schwere Regentropfen klatschten stakkatoartig gegen das Fenster. Es war ein infernalisches Spektakel. Das laute, gleichförmige Rauschen des Regens erfasste Achatz ganz und gar, es sog ihn geradezu auf. Ihm war, als würde sein Bewusstsein mit der Naturgewalt verschmelzen.
    Bald musste er wieder nach Bozen, das nächste Projekt begann. Die Expansion der Firma Rödderlink. Wieder ein Kunde, der über ihn zur SSP gekommen war. Es war paradox. Einerseits war er es, der den Südtirolern die Kunden brachte, die das schnelle Wachstum der Firma überhaupt erst ermöglichten. Andererseits saß offenbar ausgerechnet bei der SSP jemand, der in
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