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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut
Autoren: Ellis Peters
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unbehelligt bleiben, und man mußte mit strengen disziplinarischen Reglementierungen rechnen.
    Cadfael gestand sich ein, daß die Abtei durchaus eine etwas strengere Disziplin vertragen konnte. In letzter Zeit hatte sich Heribert, tief enttäuscht von der menschlichen Welt, immer mehr zurückgezogen, um im Gebet Trost zu suchen. Die Belagerung und der Fall von Shrewsbury, das damit verbundene Blutvergießen und die wilden Rachegedanken hätten genügt, um auch die robustesten Naturen zu deprimieren, wenn das auch keine Entschuldigung für das Versäumnis war, das Recht zu verteidigen und das Unrecht zu bekämpfen. Aber es gab Zeiten, wo die Alten ermüdeten und die Last der Führerschaft zu schwer wurde. Vielleicht - vielleicht! - wäre Heribert nicht mehr so traurig, wenn man ihm diese Last abnehmen würde.
    An diesem Tag ging es bei der Morgenmesse und bei der Kapitelversammlung höchst gesittet und ruhig zu, das Hochamt wurde in tiefer Frömmigkeit zelebriert, das Tagewerk pflichtbewußt erledigt. Robert war viel zu sehr auf seine äußere Wirkung bedacht, um sich vor Zeugen die Hände zu reiben oder über die Lippen zu lecken. Er hielt sich an die Gesetze der Gerechtigkeit und des Glaubens, kraft seiner heiligen Autorität.
    Doch er war nicht gewillt, auf ein einziges seiner Privilegien zu verzichten.
    Cadfael war es gewöhnt, daß man ihm während seiner aktivsten Monate zwei Gärtnergehilfen zuteilte, denn er züchtete nicht nur Kräuter in seinem ummauerten Garten. Der Küchengarten der Abtei lag allerdings außerhalb der Enklave, auf der anderen Seite der Hauptstraße, am Rand des fruchtbaren Ackerlands am Flußufer, des sogenannten Gaye. In der Regenzeit bewässerte der Severn den ertragreichen Boden. In Cadfaels geschlossenem Garten wuchsen kleine, empfindliche Pflanzen, und am Meole-Bach, der die Mühle in Gang setzte, baute er Kohl, Erbsen und Bohnen an. Jetzt, wo der Winter bevorstand und das Erdreich sich ebenso schlafen legte wie die Igel, die sich unter den Hecken zwischen trockenem Gras und welken Blättern verkrochen, hatte er nur mehr einen Gehilfen. Ein Novize ging ihm zur Hand, wenn er seine Medizinen braute, seine Pillen drehte, in seinen Ölen rührte und Breiumschläge zubereitete. Nicht nur die Mönche suchten seinen ärztlichen Rat, sondern auch die Stadtbewohner und die Leute vom Foregate. Manchmal kamen sogar Kranke aus den umliegenden Dörfern zu ihm. Er hatte diese Wissenschaft nicht studiert, sondern nur aus seinen Erfahrungen gelernt, und im Laufe der Jahre hatte er sich so viele Kenntnisse angeeignet, daß sich einige Patienten lieber von ihm behandeln ließen als von anerkannten Ärzten.
    In diesem Herbst diente ihm ein achtzehnjähriger Novize als Gehilfe, Bruder Mark, Vollwaise und lästiges Ärgernis eines verantwortungsscheuen Onkels, der ihn schon vor zwei Jahren ins Kloster geschickt hatte, um ihn loszuwerden. Wortkarg, vereinsamt und heimwehkrank war er in der Abtei eingetroffen, ein zarter Bursche, der noch jünger wirkte, als es seinen Jahren entsprach, und mit ängstlicher Unterwürfigkeit alle Aufträge erfüllte, als wäre es sein höchstes Lebensziel, Bestrafungen aller Art zu entrinnen. Nach ein paar Monaten gemeinsamer Gartenarbeit mit Cadfael hatte sich seine Zunge allmählich gelockert, und seine Angst war verflogen. Er war immer noch klein für sein Alter und sehr vorsichtig, wann immer er Autoritätspersonen begegnete, aber gesund und kräftig und ein tüchtiger Gärtner. Was die Herstellung der Arzneien betraf, so war er ein gelehriger, interessierter Schüler. Im Kreis seiner Kollegen blieb er stumm wie eh und je. Er sprach nur bei der Gartenarbeit, und auch dann nur mit Cadfael. Trotz seiner schweigsamen Zurückhaltung im Kreuzgang und im Hof war es Mark, der seinem Meister alle Klatschgeschichten brühwarm erzählte - noch bevor sie sich in der ganzen Abtei verbreiteten.
    Eine Stunde vor der Abendandacht kam er von der Mühle zurück, wo er einen Auftrag erfüllt hatte, und wußte Neuigkeiten zu berichten. »Weißt du, was Prior Robert getan hat, Bruder Cadfael? Er ist in die Wohnung des Abtes gezogen! Wirklich und wahrhaftig! Und der Bruder Subprior soll von heute an in der Zelle des Priors schlafen! Und dabei hat sich das Tor gerade erst hinter Abt Heribert geschlossen! Ich finde das sehr anmaßend!«
    Das fand Cadfael auch, aber er fühlte sich nicht bemüßigt, dies seinem Gehilfen mitzuteilen oder diesem solch freimütige Äußerungen zu gestatten. »Es
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