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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut
Autoren: Ellis Peters
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möglich, daß ich nicht mehr dafür zuständig bin und nicht mehr länger das Recht habe, die Geschicke unseres Ordens zu lenken. Ich habe hier Instruktionen aus Westminster, vom königlichen Hof, die mir gestern überbracht wurden. Ihr alle wißt, daß Papst Innozenz König Stephens Thronanspruch anerkannt hat und einen Gesandten mit allen Vollmachten zu seiner Unterstützung nach England geschickt hat - Alberic, den Kardinalbischof von Ostia.
    Der Kardinal schlägt vor, in London ein Legatenkonzil zum Zwecke der Kirchenreformation abzuhalten. Ich soll daran teilnehmen und über meine Tätigkeit als Abt dieses Klosters Rechenschaft ablegen. Die Bedingungen sind eindeutig«, fuhr Abt Heribert traurig fort. »Mein Amt steht den Legaten zur Verfügung. Wir haben ein böses Jahr hinter uns und wurden zwischen zwei Thronprätendenten hin und her gerissen. Es ist kein Geheimnis, das gebe ich gern zu, daß mir seine Gnaden, als er uns im Sommer besuchte, nicht gerade wohl gesinnt war.
    Denn im Chaos des Zeitenwandels sah ich meinen Weg nicht so klar vor Augen und erkannte seine Souveränität nur zögernd an. Deshalb glaube ich jetzt, daß ich die Pflichten des Abtes nicht mehr wahrnehmen kann, bevor mich das Legatenkonzil in meinem Amt bestätigt hat. Ich kann im Namen unseres Hauses keine Dokumente oder Vereinbarungen siegeln. Was unerledigt ist, muß unerledigt bleiben, bis eine Entscheidung getroffen wurde. Ich darf mir keine Befugnisse anmaßen, die vielleicht einem anderen zustehen.«
    Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte, setzte sich wieder und faltete geduldig die Hände, während das zunächst leise, bestürzte Gemurmel allmählich zu einem lauten, ärgerlichen Stimmengewirr anschwoll. Doch nicht alle waren entsetzt, wie Bruder Cadfael klar erkannte. Prior Robert, ebenso überrascht wie die anderen, mimte zwar Erschütterung, frohlockte jedoch hinter der Fassade seines Elfenbeingesichts und zog die offensichtlichen Schlüsse. Und Bruder Jerome, der auch die stummen Botschaften des Priors schnell zu deuten wußte, rieb sich im Schutz seiner weiten Kuttenärmel beglückt die Hände, während sein Gesicht frommen Schmerz und Mitgefühl ausdrückte. Nicht, daß die beiden irgend etwas gegen Heribert hatten, abgesehen von dem Umstand, daß er schon viel zu lange ein Amt bekleidete, auf das ungeduldige Untergebene begehrliche Blicke warfen. Natürlich war er ein netter alter Mann, aber nicht mehr zeitgemäß, und er hielt die Zügel viel zu locker in der Hand - wie ein König, der zu lange lebt und dadurch Meuchelmörder anlockt. Aber die anderen schwirrten in panischer Erregung umher, wie Hühner, die von einem Fuchs heimgesucht wurden, und schrien durcheinander.
    »Vater Abt, der König wird dich sicher in deinem Amt bestätigen!«
    »O Vater, mußt du wirklich an diesem Konzil teilnehmen?«
    »Wir werden uns wie Schafe vorkommen, die ihres Hirten beraubt wurden!«
    Prior Robert, der sich durchaus befähigt fühlte, die Herde von St. Peter zu kommandieren, wenn es sein mußte, warf jenem jammernden Bruder einen kurzen Basiliskenblick zu, verzichtete aber auf einen Einwand und erklärte statt dessen, wie sehr er die Entwicklung der Dinge bedauerte.
    »Aufgrund meines Gelübdes bin ich der Kirche verpflichtet«, sagte Abt Heribert traurig, »und als getreuer Sohn muß ich ihrem Ruf folgen. Wenn es der Kirche gefällt, mich weiterhin im Amt zu belassen, werde ich zurückkehren und wieder euer Hirte sein. Wenn ein anderer meinen Platz einnehmen soll, werde ich ebenfalls zurückkommen, falls es mir gestattet ist, und unter der Herrschaft des neuen Abtes als treuer Bruder in eurer Mitte leben.«
    Cadfael glaubte ein schwaches Lächeln auf Roberts Lippen zu erkennen. Es würde den Prior keineswegs stören, seinen früheren Vorgesetzten endlich als gewöhnlichen Bruder unter seiner Herrschaft zu sehen.
    »Aber es steht wohl fest«, fuhr Heribert demütig fort, »daß ich die Rechte des Abts nicht beanspruchen kann, bis die Sache geregelt ist. Deshalb müssen all diese Angelegenheiten bis zu meiner Rückkehr warten - oder bis zum Amtsantritt des neuen Abtes. Ist irgend etwas besonders dringlich?«
    Bruder Matthew blätterte in seinen Pergamenten und dachte nach, immer noch verstört angesichts der unerwarteten Neuigkeit. »Aylwins Übertragungsurkunde hat keine Eile. Er ist ein alter Freund unseres Ordens, und sein Angebot wird sicher so lange gelten, wie es nötig erscheint. Und der Lehensvertrag mit Hale läuft erst zu
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