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Das Mittelmeer: Eine Biographie (German Edition)

Das Mittelmeer: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Mittelmeer: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: David Abulafia
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der Antike die Perser, ab dem späten 14 . Jahrhundert die Osmanen und im 18 . Jahrhundert die Russen (auch wenn deren Bemühungen um dauerhafte Stützpunkte scheiterten). Der außergewöhnlichste Fall einer imperialen Expansion im Mittelmeerraum ist das Beispiel Großbritanniens, das fern vom Mittelmeer liegt und dank seiner Besitzungen, die sich von Gibraltar bis nach Suez erstreckten, ein Maß an Kontrolle auszuüben vermochte, das den Zorn und Neid von direkten Anrainern wie Frankreich erregte. Dieses Buch ist eine Geschichte von Konflikten und Kontakten.
    Die Herrschaft über das Mittelmeer muss als Herrschaft über die wichtigsten Seewege verstanden werden. Dazu war es erforderlich, Stützpunkte einzurichten, an denen man Schiffe mit frischen Lebensmitteln und Trinkwasser versorgen und von denen aus man Patrouillen gegen Piraten und andere Störenfriede aussenden konnte. So dienten Siedlungen auf vorgelagerten Inseln schon in frühesten Zeiten Händlern als Zwischenstationen auf ihren Fahrten tiefer hinein in mediterrane Gewässer. Andererseits konnte der Verlust der Herrschaft über Küstenregionen bedeuten, dass man auch den Zugang zu Holz und anderen für den Bau von Kriegs- oder Handelsflotten erforderlichen Materialien verlor, wie es die Herrscher Ägyptens erleben mussten. Die Kontrolle über die Seewege war besonders schwierig, wenn rivalisierende Mächte die Küsten und Inseln des Mittelmeeres beherrschten. In römischer Zeit schuf ein einzelner politischer Herrschaftsbereich einen einzigen einheitlichen Wirtschaftsraum. Doch das war ein einmaliger Fall.
    Die Geschichte des Mittelmeeres ist auch die Geschichte der Hafenstädte unterschiedlichster politischer Zugehörigkeit, in denen Kaufleute und Siedler aus dem gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus zusammenkamen und miteinander interagierten. Eine Hafenstadt, die in diesem Buch immer wieder auftaucht, ist Alexandria, das von Anfang an eine gemischte Identität besaß und diese Identität erst in der zweiten Hälfte des 20 . Jahrhunderts verlor, als der zunehmende Nationalismus die kosmopolitischen Gemeinschaften im Mittelmeerraum zerstörte. Diese Hafenstädte sorgten zugleich für die Verbreitung von Ideen einschließlich religiöser Überzeugungen, wenn sie etwa griechische Götter ins etruskische Tarquinia brachten und später dann als Brennpunkte für die Ausbreitung des Judentums, des Christentums und des Islam dienten, die alle außerordentlich prägende Einflüsse auf die Gesellschaften des Mittelmeerraums entfalten sollten.
    Die Einzelpersonen, welche die mediterrane Welt veränderten, waren gelegentlich Visionäre wie Alexander der Große oder Paulus, um zwei ganz unterschiedliche Beispiele zu nennen. Es fällt auf, dass es sich hauptsächlich um Männer zu handeln scheint. In einer Zeit, da das Geschlecht in den Mittelpunkt so vieler historischer Debatten gerückt ist, könnte man die Frage stellen: Wie männlich ist das Mittelmeer? Sesshafte Kaufleute waren gelegentlich Frauen wie bei den Juden im Ägypten des 11 . und den Christen im Genua des 12 . Jahrhunderts. In dieser Zeit zumindest begleiteten Frauen ihre Männer nicht auf Handelsreisen, und erst recht unternahmen sie nicht selbst solche Handelsreisen, auch wenn die Einstellungen zur Teilnahme von Frauen am Geschäftsleben zwischen Juden, Christen und Muslimen variierten. In der Genueser Handelskolonie in Tunis konnte man im späten 13 . Jahrhundert auch einige Frauen finden, die meist den christlichen Geschäftsleuten sexuelle Dienste anboten. Die Beteiligung von Frauen am Seekrieg – eine Erscheinung des 21 . Jahrhunderts – hat man im Mittelmeerraum nicht erprobt. Doch bei den Migranten, ob nun Alanen oder Vandalen zu Zeiten des Augustinus oder den 1492 aus Spanien vertriebenen Sephardim, gab es oft, wenn auch nicht immer, einen großen Frauenanteil – selbst die frühen Kreuzzugsheere wurden sowohl von adligen Frauen als auch von zahllosen Prostituierten begleitet. Pilgerinnen finden sich in der Geschichte schon in den ersten Jahrzehnten des Christlich-Römischen Reiches. Ein Fragment aus dem späten 4 . Jahrhundert verzeichnet die Reise der unerschrockenen Egeria (oder Aetheria) aus Gallien oder Nordspanien ins Heilige Land. Weniger bekannt ist, ob die als »Seevölker« bezeichneten bronzezeitlichen Plünderer sich in Begleitung von Frauen in Ländern wie Syrien oder Palästina niederließen. Tatsächlich lautet eine plausible Erklärung für die rasche Aufgabe der
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