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Das Meer wird dein Leichentuch

Das Meer wird dein Leichentuch

Titel: Das Meer wird dein Leichentuch
Autoren: Melanie Maine
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in seiner Verblendung die Menschen hier an Bord zum endgültigen Tode!“, sagte Damian mit dumpfer Stimme. „Das Schiff dort liegt nur zehn Seemeilen entfernt. Aber der Funker ist vor zwanzig Minuten zu Bett gegangen und hat das Gerät abgestellt.“
     
    „Und wenn der Diamant jetzt ins Meer geworfen wird?“
     
    „Dann wird er erwachen, durch einen inneren Zwang zum Gerät gehen und den Notruf auffangen.“
     
    „Wir müssen es Mr. Murdoch sagen.“ stieß ich aufgeregt hervor. „Wenn du recht hast und er den Diamanten noch bei sich trägt ...“
     
    „Es wird nichts nützen.“ Damian zuckte die Schultern. „Murdoch weiß, dass er erledigt ist. Und er sieht für sich nur eine Chance, wenn er den Blauen Diamanten nach New York bringt, um ihn dort zu verkaufen.“
     
    „Alle Passagiere mit angelegten Rettungsgürteln an Deck!“, hörte ich immer wieder die Stewards rufen.
     
    „Sie glauben doch wohl nicht, dass ich jetzt mitten in der Nacht in so eine Nussschale klettere?“, kreischte eine ältere Frau im Abendkleid empört.
     
    „Bitte, Mylady. Wir haben Anweisung des Kapitäns.“ Charles Lightoller, der Zweite Offizier, wollte sie mit Gewalt zu einem der Boote zerren.
     
    „Da sehen Sie. Ein Rotweinfleck auf meinem Kleid. Durch die Aufregung, die Sie hier verursachen, hat mir einer der Stewards eine Weinkaraffe über meine Brüsseler Spitze gekippt. Ich werde die White-Star-Linie auf Schadenersatz verklagen!“
     
    „Verklagen Sie den lieben Gott auf Zurücknahme ihrer Fahrkarte“, knurrte Lightoller grob. „Aber beeilen Sie sich. Das Büro wird bald geschlossen.“
     
    Immer mehr Passagiere drängten sich jetzt auf das Bootsdeck. Pfeifend und Zischend wurde Dampf abgelassen. Dazu heulte die Sirene der Titanic ihren Hilfeschrei über das schweigende Meer. Aber kaum einer der Passagiere erkannte den tatsächlichen Ernst der Lage. Und die Frauen, die zu den Booten gedrängt wurden, hatten einfach Angst, sich einundzwanzig Meter in die dunkle Tiefe gleiten zu lassen und dann in einer Nussschale auf dem Atlantik zu rudern. Das Schiff war doch ganz hell erleuchtet und die beginnende, leichte Schräglage wollte niemand wahrhaben.
     
    Molly Brown, die Goldgräber-Molly, war eine der wenigen Frauen, die begriffen, dass das Schiff zu sinken begann. Sie hatte sich in einen Pelzmantel gehüllt und trug einen ihrer mächtigen, aber ungeheuer geschmacklosen Hüte.
     
    „Na, kommt schon, meine Hübschen. Ab zur Kahn-Partie auf dem großen Teich.“ rief sie den anderen Frauen zu und ließ sich ins Boot helfen. Drinnen blieb sie aufrecht stehen. „Habt ihr etwa Angst, dass dieses kleine Schiffchen untergehen könnte? Vorher vielleicht. Aber jetzt nicht mehr. Dieses Boot ist jetzt so sicher wie die Titanic selbst. Denn jetzt ist Molly Brown darin. Und Molly Brown ist unsinkbar.“
     
    Das Beispiel Goldgräber-Mollys sorgte dafür, dass die Frauen sich jetzt tatsächlich von ihren Männern verabschiedeten und sich von den Matrosen ins Boot helfen ließen.
     
    „Die Stürme des Lebens haben mich durchgeschüttelt und auch mal zum Kentern gebracht.“ übertönte Molly Browns durchdringende Stimme den Lärm. „Aber untergegangen bin ich nie. Denn ich bin die unsinkbare Molly!“
     
    Und ihr „... die unsinkbare Molly ...“ hallte noch zu uns herauf, als das Rettungsboot bereits abgefiert wurde. Unter diesem Namen wurde Molly Brown eine Berühmtheit.
     
    Heulend rasten weiße Raketen in den Himmel. Kapitän Smith hatte ebenfalls die Positionslampen am fernen Horizont gesehen. Und mit den Raketen hoffte er, auf das Schicksal seines Schiffes aufmerksam zu machen.
     
    „Auf dem Schiff werden sie die Raketen sehen und uns zu Hilfe kommen!“, sagte ich hoffnungsvoll. „Wenn wir ihre Lampen erkennen können, sind die Raketen doch nicht zu übersehen.“
     
    „Nein, aber man wird dort glauben, dass wir hier ein Bordfest feiern“, sagte Damian traurig. „Denn es sind weiße Raketen, die abgeschossen werden. Rote Raketen, die als Notsignal bekannt sind, hat die Titanic nicht an Bord. Niemand hat damit gerechnet, dass sie jemals gebraucht würden.“
     
    „Also sind wir wirklich verloren“, flüsterte ich.
     
    Aber die Antwort gab mir die Weite des Atlantiks, in dessen Unendlichkeit jetzt die Positionslampen schwächer wurden und dann verschwanden.
     
                                                                         
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