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Das Meer wird dein Leichentuch

Das Meer wird dein Leichentuch

Titel: Das Meer wird dein Leichentuch
Autoren: Melanie Maine
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sterben“, erklärte der Milliardär auf meine Frage. „Wer mit Stil gelebt hat, sollte auch mit Würde untergehen. Niemand soll später sagen, Benjamin Guggenheim sei ein Feigling gewesen und habe den Tod gefürchtet.“ Er prostete uns mit dem Champagner-Glas zu, machte eine kurze Verbeugung und ging dann so selbstsicher weiter, als befände er sich auf einem Wohltätigkeitsball in New York und nicht auf einem todgeweihten Schiff.
     
    Eben ging das letzte Boot zu Wasser. William Murdoch gab Anweisungen an die Männer an den Davits. Einige Heizer und Matrosen sprangen noch über Bord und hofften, unten von dem Boot aufgenommen zu werden.
     
    Der Erste Offizier blieb zurück. Warum war er an Bord geblieben? Er hätte sich sicher retten können. Auch Damian schien erstaunt, dass William Murdoch nicht geflohen war. Doch wir würden es sicher bald wissen. Denn Murdoch kam genau auf uns zu.
     
    Damian schob mich etwas zur Seite. Seine Gestalt schien noch größer zu werden, als er dem Ersten Offizier jetzt entgegen trat.
     
    „Ich wusste, dass Sie den Blauen Diamanten bei sich tragen, Mr. Murdoch“, sagte Damian de Armand mit kalter Stimme. „Astor hat Ihnen alles von dem Fluch erzählt. Aber durch Ihre Habgier haben Sie verhindert, dass er ins Meer geworfen wurde. Und deshalb ist die Hilfe, die in der Nähe war, nicht gekommen.“
    „Ich hielt das alles für ein Märchen.“ presste Murdoch hervor. „Der Eisberg und die Kollision waren natürliche Vorgänge, die auf See passieren können. An Flüche und diese Dinge glaube ich nicht..“
     
    „Deshalb werden Sie jetzt dran glauben müssen, William Murdoch“, sagte Damian doppeldeutig. „Sie waren ein williges Werkzeug des Schicksalssteins.“
     
    „Warum sind Sie nicht mit dem letzten Boot geflohen, Mr. Murdoch?“ mischte ich mich ein.
     
    „Da waren noch zwei Kinder. Ich konnte mich doch nicht retten und zwei Kinder sterben lassen.“ bebte es von Murdochs Lippen. „Ihre weit aufgerissenen Augen und die kleinen, vom Todesgrauen verzerrten Gesichter hätten mich bis ins Grab verfolgt. Und so nehme ich das Los eines anständigen Seemannes auf mich. Möge Gott mir verzeihen.“
     
    „Durch dieses Opfer haben Sie alle Menschen in dem Boot gerettet.“ sagte Damian langsam. „Es wäre gesunken, wenn der Blaue Diamant darin gewesen wäre.“
     
    „Hier, Marquis. Nehmen Sie ihn - den Schicksalsstein.“ Murdoch griff in seine Tasche und holte das kostbare Juwel hervor. Der Diamant war so groß wie das Ei einer Taube. Von seinen Facetten sprühte blaues Feuer. „Und nun lassen Sie mich in Frieden sterben.“ Murdoch wandte sich ab, während Damians Hand das Juwel fest umschloss.
     
    „Wirf ihn ins Meer, Damian!“, bettelte ich. „Vielleicht ...“
     
    „Zu spät!“ Damians Worte klangen wie das Läuten einer Totenglocke.
     
    Und das Wasser des Atlantiks umspülte am Bug bereits die Kommandobrücke ...
     
                                                                                                      ***
     
    „Ihr habt alle Eure Pflicht getan, Männer!“ übertönte die Stimme von Kapitän Smith das Geschrei. „Jetzt muss jeder für sich selbst sorgen. Seid Engländer. Sterbt wie Engländer!“
     
    Damian und ich hatten uns bis zum äußersten Ende des Bootsdecks am Heck zurückgezogen. Und so konnte ich die letzten Minuten auf der todgeweihten Titanic mit eigenen Augen erleben.
     
    Priester nahmen verzweifelten Menschen die Beichte ab. Einige Gruppen waren auf die Knie gesunken und beteten mit lauter Stimme. Vom Mittschiff her hörte ich den Schwanengesang von Wallace Hartley und seinen Musikern. Es war ein getragener, langsamer Walzer. Jedes Mal in meinem Leben, wenn ich das Stück „Autumn“ hörte, kamen Tränen in meine Augen. Denn es war das Todeslied der Titanic.
     
    Unten auf dem Achterdeck bei der Flagge, wo sie das Wasser zuletzt erreichen würde, sang eine große Gruppe von Menschen den Choral „Näher, mein Gott, zu dir.“ Pistolenschüsse peitschten durch die Nacht, als einige der Verzweifelten ihrem Leben ein Ende setzten, bevor das schwere Ende im eisigen Wasser sie erreichte.
     
    Das Schiff lag jetzt so schräg, dass sich niemand mehr auf den Beinen halten konnte. Immer höher stieg das Heck empor. Die Titanic war bereit für ihre letzte Fahrt tief hinab auf den Grund des Atlantiks.
    „ Damian“, flüsterte ich und
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