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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman
Autoren: Kathleen McGowan
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aus altem Holz, der zumindest andeutungsweise antik aussah. Die wenigen modernen Annehmlichkeiten in seinem Büro hatte er sich ebenfalls selbst ausgesucht: den Minikühlschrank in der Ecke hinter dem Schreibtisch, einen kleinen elektrischen Wasserkocher und das meist ignorierte Telefon.
    Maureen hatte sich inzwischen sichtlich entspannt. Sie fühltesich wohl und sicher in der Gegenwart eines nahen Verwandten und genoss die beruhigende, typisch irische Art der Teezubereitung.
    Peter kehrte wieder an den Schreibtisch zurück und bückte sich nach dem Minikühlschrank unmittelbar hinter ihm. Er holte eine kleine Milchtüte heraus und stellte sie neben die weißrosa Zuckerdose auf dem Kühlschrank. »Irgendwo war hier auch ein Löffel … Warte … Da ist er ja.«
    Im Kocher begann es zu brodeln; das Wasser war fertig.
    »Überlass mir die Honneurs«, meldete Maureen sich freiwillig.
    Sie stand auf, nahm die Teepackung von Peters Schreibtisch und brach das Plastiksiegel mit ihrem Fingernagel. Dann holte sie zwei runde Teebeutel heraus und legte je einen in die beiden unterschiedlichen, von Tee fleckigen Becher. All die Klischees von wegen Iren und Alkohol waren in Maureens Augen drastisch übertrieben. Wenn Iren nach etwas süchtig waren, dann nach diesem Zeug.
    Fachmännisch beendete Maureen die Vorbereitungen und reichte ihrem Cousin einen dampfenden Becher, als sie sich wieder ihm gegenüber auf den Stuhl setzte. Stumm nippte Maureen einen Moment lang an ihrem Tee und fühlte Peters wohlwollenden Blick auf sich ruhen. Nun, da sie so überstürzt zu ihm geeilt war, wusste sie nicht, wo sie anfangen sollte, und so war es schließlich der Priester, der das Schweigen brach.
    »Sie ist also wieder da?«, fragte er in sanftem Ton.
    Maureen seufzte erleichtert. In Augenblicken wie diesen, da sie glaubte, den Verstand verlieren zu müssen, war Peter für sie da: Cousin, Priester, Freund.
    »Ja«, antwortete sie, und ganz untypisch drohte ihr die Stimme zu versagen. »Sie ist wieder da.«

    Father Peter Healy wälzte sich ruhelos in seinem Bett und konnte nicht schlafen. Das Gespräch mit Maureen in seinem Büro hatte ihn mehr aufgewühlt, als er sich eingestehen wollte. Er machte sich Sorgen um sie, sowohl als ihr nächster lebender Verwandter als auch als ihr geistiger Ratgeber. Die Träume waren wieder zurückgekehrt, und das heftiger denn je. Er hatte gewusst, dass das irgendwann geschehen würde, und nur darauf gewartet.
    Als Maureen aus dem Heiligen Land zurückgekehrt war, war sie wiederholt von Traumbildern jener leidenden königlichen Frau in rotem Gewand heimgesucht worden, der Frau, die sie in Jerusalem gesehen hatte. Ihre Träume waren stets gleich; immer fand sie sich inmitten einer Menge auf der Via Dolorosa wieder. Gelegentlich gab es kleinere Variationen oder ein zusätzliches Detail, doch jedes Mal waren die Träume von einem überwältigenden Gefühl der Verzweiflung geprägt. Es waren die Lebendigkeit und die Intensität dieser Träume, die Peter beunruhigten, und die Authentizität von Maureens Beschreibungen. Es war nicht mit Händen zu greifen, ein Gefühl, das durch das Heilige Land selbst ausgelöst wurde, so wie Peter es aus der Zeit kannte, als er selbst in Jerusalem studiert hatte. Es war ein Gefühl, dem Alten und Wahren sehr, sehr nahe zu kommen … und, ja, dem Göttlichen.
    Nach ihrer Rückkehr aus Israel hatte Maureen viele lange Ferngespräche mit Peter geführt, der zu dieser Zeit in Irland gelehrt hatte. Seine selbstbewusste und unabhängige Cousine fing an, ihren eigenen Geisteszustand infrage zu stellen, und die Intensität und Häufigkeit ihrer Träume hatten Peter mehr und mehr beunruhigt. Schließlich hatte er um eine Versetzung nach Loyola gebeten, wohl wissend, dass man sie genehmigen würde, und war an Bord eines Flugzeuges nach Los Angeles gestiegen, um seiner Cousine näher zu sein.
    Vier Jahre später rang er mit seinen Gedanken und seinem Gewissen, und er wusste einfach nicht, wie er Maureen jetzt ambesten helfen sollte. Gern hätte er sie zu einigen seiner kirchlichen Vorgesetzten gebracht, doch ihm war klar, dass sie dem nie zustimmen würde. Peter war die letzte Verbindung zu ihrem einst katholischen Hintergrund, die sie noch nicht gekappt hatte. Sie traute ihm nur, weil er zur Familie gehörte – und weil er der einzige Mensch in ihrem Leben war, der sie nie im Stich gelassen hatte.
    Peter setzte sich auf und ergab sich der Erkenntnis, dass er heute Nacht ohnehin nicht mehr
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