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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman
Autoren: Kathleen McGowan
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würde einschlafen können – und er versuchte, nicht an das Päckchen Marlboro in der Nachttischschublade zu denken. Schon länger war er bestrebt, sich das Rauchen abzugewöhnen; tatsächlich war das einer der Gründe, warum er in einem Apartment und nicht in einem Jesuitenhaus wohnte. Doch der Stress war zu viel für ihn, und so erlag er wieder einmal der Versuchung. Er zündete sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und dachte über die Fragen nach, denen Maureen sich gegenübersah.
    Seine kleine, lebhafte amerikanische Cousine hatte schon immer etwas Besonderes gehabt. Als sie zum ersten Mal mit ihrer Mutter nach Irland gekommen war, war sie eine ängstliche, einsame Neunjährige mit breitem Südstaaten-Akzent gewesen. Peter, der acht Jahre älter war, hatte sie unter seine Fittiche genommen und den einheimischen Kindern vorgestellt – und jedem ein blaues Auge verpasst, der es gewagt hatte, die Neue mit ihrem komischen Englisch zu hänseln.
    Aber es hatte nicht lange gedauert, bis Maureen mit ihrer Umgebung verschmolzen war. Die Traumata ihrer Vergangenheit in Louisiana heilten rasch, als die irischen Nebel sie tröstend umschlangen. Sie fand Zuflucht in der Landschaft, wo Peter und seine Schwestern sie auf lange Wanderungen mitnahmen, ihr die Schönheit des Flusses zeigten und sie vor den Gefahren der sumpfigen Niederungen warnten. Lange Sommertage verbrachten sie damit, wilde Brombeeren zu pflücken oder Fußball zu spielen, bis die Sonne unterging. Nach und nach akzeptiertenauch die anderen Kinder Maureen, je wohler sie sich in ihrer neuen Umgebung fühlte und je mehr ihre wahre Persönlichkeit zum Vorschein kam.
    Peter hatte oft über die Definition des Wortes »Charisma« nachgedacht, wie es im Kontext der Frühkirche gebraucht worden war: eine göttliche Gabe oder Macht. Vielleicht traf dieser Begriff wörtlicher und vollkommener auf Maureen zu, als sie es sich je erträumt hatten. Peter führte Tagebuch über seine Diskussionen mit ihr; das hatte er schon seit jenen ersten Ferngesprächen getan. Darin schrieb er all seine Gedanken im Zusammenhang mit den Träumen auf. Und täglich betete er um Führung, falls Maureen tatsächlich von Gott auserwählt sein sollte, irgendeine Aufgabe zu erfüllen, die mit der Passion Christi in Beziehung stand. Denn dass es das war, was sie in ihren Träumen sah, dessen war er allmählich sicher, und in diesem Fall würde er in der Tat alle Hilfe brauchen, die ihm sein Schöpfer gewähren würde. Und seine Kirche desgleichen.

    Château des Pommes Bleues
Languedoc, Frankreich
Oktober 2004
     
    »Marie de Nègre soll bestimmen, wann die Zeit für die Verheißene gekommen ist. Sie, die aus dem Paschalamm geboren ist, da Tag und Nacht gleich sind; sie, die sie ein Kind der Wiederauferstehung ist. Ihr, die sie das Sangre-el trägt, wird der Schlüssel zuteil werden, wenn sie den Schwarzen Tag des Schädels sieht. Sie wird die neue Hirtin werden und uns den Rechten Weg weisen.«
    Berenger Sinclair ging auf dem polierten Boden seiner Bibliothek auf und ab. Die Flammen im riesigen Steinkamin warfen ein goldenes Licht auf die ererbte Sammlung kostbarer Bücher und Manuskripte. In einem schützenden Glaskasten, der sichüber die gesamte Breite des großen Herds hinzog, hing ein zerrissenes Banner. Einst weiß, war es nun vergilbt, und in der Mitte fand sich eine ausgeblichene goldene Lilie. Der zusammengesetzte Name Jhesu-Maria war auf das Buckram gestickt, doch nur jene konnten ihn sehen, die die seltene Gelegenheit bekamen, sich dieses Relikt aus der Nähe anzuschauen.
    Sinclair zitierte die Prophezeiung laut und ohne sie irgendwo abzulesen, wobei er auf schottische Art das »R« rollte. Berenger kannte die Worte der Prophezeiung auswendig; er hatte sie schon als kleiner Junge auf den Knien seines Großvaters gelernt. Damals hatte er die Bedeutung dieser Zeilen noch nicht verstanden. Es war ein schlichtes Auswendiglernen gewesen, eine Art Spiel, das er mit seinem Großvater gespielt hatte, wenn er die Sommer auf dem riesigen Gut seiner Familie in Frankreich verbracht hatte.
    Sinclair blieb vor einem komplexen Familienstammbaum stehen, der an eine Wand gemalt worden war und vom Boden bis zur Decke reichte. Es war ein gewaltiges Bild, das die Geschichte von Berengers Vorfahren darstellte.
    Dieser Zweig der Sinclair-Familie war einer der ältesten in ganz Europa. Ursprünglich unter dem Namen Saint Clair bekannt, war sie im dreizehnten Jahrhundert vom Kontinent vertrieben
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