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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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begegnet.»
    Sabina blieb für einen Augenblick das Herz stehen. Dann sagte sie wütend: «Hast du mir darüber Vorschriften zu machen? Bist du etwa mein Vormund?»
    «Deiner nicht, aber der deiner Kinder», entgegnete er kalt. «Vergiss das nicht!»
     
    Marie hatte nie verstanden, warum die Herzogin entgegen ihrer Ankündigung nur für eine Nacht in Nördlingen geblieben war. Mehr als eilig hatte sie es gehabt, am nächsten Morgen weiterzukommen. Aber im Grunde war ihr das gleich. Für sie hatte ein neues Leben begonnen, von dem Tag an, als Herzogin Sabina in der Kinderstube aufgetaucht war. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie bei der Herzogin in Lohn und Brot stand, mit fünf Gulden auf Walpurgis, fünf auf Michaelis. Sie und Veith würden fortan versorgt sein.
    Noch einmal zehn Tage hatten sie gebraucht, bis sie am Ziel ihrer Reise waren, dieses Mal begleitet von einem leibhaftigen Markgrafen, dem Kasimir von Brandenburg-Kulmbach. Er war mit Sabinas Schwester vermählt, die in München zu Besuch war und auf ihre Ankunft wartete, und behandelte Marie die ganze Reise über wie Luft. Ganz offensichtlich hatte die Herzogin gegen die Etikette verstoßen, indem sie keine Edeljungfer, sondern ein Bauernmädchen als Dienerin mitführte. Da waren Marie die ersten Zweifel gekommen, ob ihr neues Glück von Dauer sein würde.
     
    Die Ankunft in München dann erschien ihr wie ein Traum. Von Sabinas Schwester Susanna, einer lebhaften, lustigen jungen Frau, wurden sie aufs herzlichste empfangen und indie Alte Burg geführt. Halb leer stand dieses riesige Gemäuer, Maries ganzes Dorf hätte darin Unterkunft gefunden samt allem Viehzeug dazu. Ihr selbst wurde eine eigene Kammer zugewiesen, ein fürstliches Prunkzimmer mit Teppichen, Stühlen, Truhen und Glasfenstern.
    «Danken wir Gott, dass er uns hierhergeführt hat», sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihrem Sohn, am ersten Abend und strich über das blütenweiße Leintuch ihres Bettes. Dann nahm sie Veith auf den Schoß, faltete seine Hände in ihre und betete.
    Ihre Tage verbrachte sie fortan damit, für ihre Herrin zu sorgen, ihr beim Packen der Kisten zu helfen und ihr Gemach sauber zu halten. Dabei ging ihr sogar eine Magd zur Hand, und so blieb ihr immer noch genug Zeit, sich um Veith zu kümmern. Drei Jahre war er inzwischen und alles andre als dumm; sie dachte jetzt schon mit Schrecken daran, wann er sie nach seinem Vater fragen würde. Was sollte sie ihm antworten? Doch vorerst schien ihn das nicht zu kümmern, und so verbot sie sich alle derartigen Gedanken, auch wenn ihr das zunehmend schwerfiel: Der Junge sah seinem Vater von Tag zu Tag ähnlicher. Sogar die frechen Grübchen in den Wangen hatte er von Vitus geerbt.
    Dass das Gesinde im Burgschloss ihr mit Misstrauen begegnete, störte sie nicht weiter. Schon bald würden sie nach Wirtemberg zurückkehren, und sie freute sich auf Urach bald genauso wie ihre Herrin.
    Als sie eines Tages zur Herzogin in die Schlafkammer kam, um beim Auskleiden zu helfen, stand Sabina mit rotgeränderten Augen am Fenster. In der Hand hielt sie ein Schreiben.
    Erschrocken sah Marie sie an. «Ist etwas mit den Kindern?», fragte sie schließlich.
    Sabina schüttelte den Kopf.
    «Nein. Die Nachricht ist vom Nördlinger Bundestag, von meinem Bruder Ludwig. Es steht nicht gut um unser Land.»
    Marie schwieg bestürzt. Aber nach einem Moment des Schweigens sprach die Herzogin von selbst weiter.
    «Die Fronten verhärten sich. Der Schwäbische Bund will jetzt endlich entschädigt werden, sonst werde man das Land aufteilen.» Sabina ließ das Blatt sinken. «Eine solch unerhörte Summe fordert der Bund, dass Baiern, schreibt mein Bruder, sie niemals würde zahlen können.»
    «Und – wird das Land nun zerteilt?»
    «Nein. Unser neuer Kaiser will das Land. Er und das Haus Habsburg wollen die Kriegskosten erstatten und dem verarmten Land auf die Beine helfen, sofern man freie Hand bei der künftigen Regentschaft erhalte.»
    «Dann wird Wirtemberg also habsburgisch? Und was wird aus dem Christoph?»
    «Ich weiß es nicht.» Kraftlos ließ sich die Herzogin auf einen Stuhl sinken. «Es ist noch nicht entschieden. Aber offenbar wollen sich meine Brüder aus der Verhandlung zurückziehen.»
    «Gibt es denn niemanden, der das Land Euch und Euren Kindern erhalten will?»
    «Doch, den gibt es.» Sabinas Blick ging in die Ferne. «Aber er steht auf gänzlich verlorenem Posten.»
    «Aber wenigstens seid Ihr bald wieder bei Euren
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