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Das Maedchen und der Luegner

Das Maedchen und der Luegner

Titel: Das Maedchen und der Luegner
Autoren: Sophia Bjenlund
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die er empfand, hatte er widergespiegelt, und das hatte ihr, Tanjas , Herz auf eine wunderbare Weise angerührt. Sie wünschte plötzlich nichts sehnlicher, als dass er auch sie einmal mit solch inniger Liebe anblicken würde.
    Und von diesem Moment an hatte Tanja auch Armin Wollner vergessen, seinen Brief, der mehr unpersönlich als freundschaftlich klang, und die wohlmeinenden Worte seiner Mutter, die geglaubt hatte, sie trösten zu müssen.
    Wer war der Fremde? Tanja wußte, dass sie sein Gesicht nie vergessen würde. Doch sie war klug genug, um sich zu sagen, dass es keine Möglichkeit für sie gab, ihn zu finden.
    Oder doch? Sollte sie vielleicht einfach ihren Sommerurlaub in Olsberg verbringen, ihn dort suchen?
    Tanja, du machst dich lächerlich, schalt sie sich selbst. Dennoch konnte sie ihre Träume nicht abschalten, wie man ein Fernsehgerät abschaltete. Und als sie eingeschlafen war, stand wieder jener Mann vor ihr, hielt die nasse Katze im Arm und lächelte. Dabei blickte er ihr tief in die Augen.
    Schade, dass es nur ein Traum war.
     
    ***
     
    Die alte Frau, deren schlohweißes Haar das Auffallendste an ihr war, saß am Fenster und starrte nach draußen. Eine herrliche Landschaft tat sich vor ihr auf, ein weitläufiger Park, helle Wege und die ersten Krokusse, die ihre zarten Blüten der Sonne entgegenreckten.
    Wie lange war sie schon nicht mehr draußen gewesen? Eine Woche? Zwei Wochen? Sie konnte es nicht sagen.
    Lavinia von Tarlton spürte eine Traurigkeit in sich aufsteigen, die ihr die Tränen in die Augen trieb. Einmal wieder nach draußen gehen, einmal wieder all die Schönheiten der Natur bewundern können. Das war das einzige, was sie noch von dem letzten Rest ihres Lebens erwartete.
    Und doch war niemand da, der ihr diesen Wunsch erfüllen konnte, denn Severin, ihr Enkelsohn, war erst gestern von einem zwei Wochen dauernden Seminar zurückgekehrt. Und jetzt erwartete die alte Dame jeden Moment seinen Besuch. Doch ihn mit ihrem kleinen und doch so großen Wunsch behelligen, das wagte sie nicht.
    »Starrst du schon wieder nach draußen, Großmütterchen?« Als hätte er ihre Gedanken erraten, bet rat ein hochgewachsener, gut aussehender Mann den feudal eingerichteten Salon.
    »Warum hast du denn nicht Max Bescheid gesagt? Sicher hätte er dir gern den Rollstuhl nach unten getragen. U nd Berta hätte dir geholfen, die Treppen zu bewältigen. Ach, Großmütterchen, warum bist du nur so entsetzlich rücksichtsvoll?«
    Liebevoll umarmte der Fünfunddreißigjährige die alte Dame. »Lieber sitzt du am Fenster und starrst wehmütig nach draußen, als dass du auch nur einmal ein Wort sagst!« tadelte er sie liebevoll.
    »Was hätte es denn gebracht, Severin?« Die alte Dame bemühte sich um ein Lächeln. »Natürlich hätte Max mir den Rollstuhl nach unten getragen, und selbstverständlich hätte mich Berta die Treppen hinuntergeführt - und dann? Ich kann doch nicht verlangen, dass die Gute eine Runde nach der anderen mit mir dreht.«
    »Ich bin sicher, Berta hätte es gern getan«, wandte der sympathische Mann ein.
    »Sie ist doch selbst nicht mehr so gut zu Fuß. Nein, Severin, ich will niemanden mit meinen Gebrechen belasten«, wehrte Lavinia von Tarlton ab. »Außerdem macht es mir nichts aus, unseren herrlichen Park von oben zu betrachten. Man hat von hier aus einen wesentlich besseren Überblick.« Der Mann nickte vor sich hin, dann fuhr er sich resigniert mit der rechten Hand durch das dunkle Haar. »Wie du meinst, Großmütterchen.«
    »Du sollst nicht immer Großmutter zu mir sagen«, brauste Lavinia von Tarlton auf. »Hatten wir uns nicht geeinigt, dass wir Partner sind? Nicht ohne Grund habe ich dir das ganze Anwesen überschrieben.«
    Ein jungenhaftes Lächeln erhellte das Gesicht des Mannes. »In Ordnung, Lavinia, dein Wunsch ist mir Befehl. Das erleichtert es mir auch, ein ernstes Wort mit dir zu reden. So kann es nämlich nicht mehr weitergehen. Ganz blass bist du um die Nase, und ich sehe nicht ein, dass du deine ganze Zeit allein verbringen sollst. Und wenn ich auf Geschäftsreise bin oder zu einem Kongress muss wie dieses Mal, dann hast du kaum einmal einen Ansprechpartner. Ich will, dass du eine Gesellschafterin bekommst.«
    »Eine fremde Frau?« Heftig schüttelte die alte Dame den Kopf. »Kommt nicht in Frage. Ich will meine Ruhe haben. Außerdem glaube ich nicht, dass sich irgendein junges Ding hierher in unsere Einsamkeit verirrt. Und wenn, dann würde es gewiß nicht lange
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