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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Autoren: Carol Coffey
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ihre Kinder großzogen.
Manchmal erkannte sie sich selbst nicht wieder, denn eigentlich hatte sie sich nie in der Rolle der Bauersfrau und Mutter gesehen. Sie hatte geplant, im Anschluss an die Schule nach Dublin oder London zu ziehen und zu heiraten, wann es ihr passte, und ganz gewiss keinen armen Schlucker. Manchmal beschlich sie der Hauch eines schlechten Gewissens wegen Jimmy, der in Dublin im Sterben lag, während sie hier eine Todsünde nach der anderen beging, doch diese Momente gingen schnell vorüber. Die Ärzte kümmerten sich um Jimmy und taten alles, was in ihrer Macht stand. Maura veränderte sich. Eine Heirat in gesicherte finanzielle Verhältnisse erschien ihr mittlerweile nicht mehr so wichtig. Sie konnte Éamonn ja heiraten, wenn er sein Studium beendet hatte. Sie konnte warten. Doch an manchen Tagen wurde ihr übel aus Angst vor dem Tag, an dem er gehen musste, und sie stürzte zur Toilette im Hof. Liebe, dachte sie, während sie sich den lange vernachlässigten Haushaltsarbeiten widmete, da die Rückkehr ihres Vaters bevorstand. Brigid, die die beiden Turteltauben nicht stören wollte, ließ sich immer seltener blicken. Ihren Großeltern verriet sie nichts, obwohl ihr klar war, dass es eigentlich ihre Pflicht gewesen wäre, doch die Tatsache, dass sie an einem solchen Geheimnis Anteil hatte, war für den sommersprossigen Wildfang das aufregendste Erlebnis des ganzen Sommers. Die Wochen bis zum Oktober vergingen wie im Flug, wie es eben ist, wenn man glücklich ist, bis Mauras Vater schließlich auf den Hof zurückkehrte und seine Frau in Dublin zurückließ, um an Jimmys Bett zu wachen.
    Als Éamonn sich verabschiedete, um sein Studium aufzunehmen, versprach Maura, so oft wie möglich nach Dublin zu kommen. Ihre Ausrede, Jimmy besuchen zu wollen, wurde von den Eltern widerspruchslos hingenommen. Als ihre Übelkeitsattacken nicht aufhören wollte, ging sie zum Arzt,
der ihren Verdacht bestätigte. Maura war schwanger. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, wegzulaufen und zu Éamonn nach Dublin zu ziehen oder aber ihre Eltern um Hilfe zu bitten, so lange, bis er sein Studium beendet hatte. Sie wollte seinen Traum nicht zerstören. Eine Heirat zum jetzigen Zeitpunkt hätte höchstwahrscheinlich das Ende seines Studiums bedeutet. Sie konnte sich aber auch nicht durchringen, das Baby wegzugeben, in einem Mädchenheim Zuflucht zu suchen und ihr Kind nie wiederzusehen. Es war das Beste, ihre Eltern um Hilfe zu bitten. » Selig sind die Barmherzigen «, wie ihr Vater immer sagte.
    Während seines täglichen Rosenkranzgebetes passte Maura ihn ab. Er kniete neben dem Bett und die alten Holzperlen baumelten hin und her, während er ohne Unterbrechung die immer gleichen Gebete vor sich hin murmelte. Maura wartete, bis er mit den Fürbitten für die Kranken und Sterbenden des Dorfes begonnen und deren Leiden der Gnade des Herrn anvertraut hatte. Sie wusste, dass dies das Ende des täglichen Rituals einleitete. Sie schlich in sein winziges Zimmer und stellte sich hinter ihn, während er auf dem Steinfußboden kniete. Er war ein kleiner, schmaler Mann, der spät geheiratet hatte und älter wirkte, als seine achtundfünfzig Lebensjahre vermuten ließen. Seine dichte graue Mähne bildete einen auffallenden Kontrast zu seiner schmächtigen Erscheinung. Auf Knien, die blauen Augen fest geschlossen, brachte er gerade sein eigenes Leid vor Gott.
    Maura räusperte sich, und ihr Herz pochte laut unter dem dünnen Kleid.
    »Daddy«, flüsterte sie.
    »Jetzt nicht, Mädchen. Siehst du nicht, dass ich bete? Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern … «

    »Bitte entschuldige, Daddy, ich muss dich sprechen.«
    Er drehte sich gereizt um. »Was könnte denn so wichtig sein, dass du mich beim Beten unterbrechen musst, Mädchen?«
    »Ich stecke in Schwierigkeiten, Daddy.«
    Seine Blicke schienen sie zu durchbohren. »Du meinst …?«
    »Ich … ich bekomme ein Baby.«
    Jetzt war es heraus. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Kein Weglaufen. Sie war auf jedes Urteil gefasst, schloss die Augen und wartete auf seine Antwort. Dann hörte sie einen lauten Knall und fiel rückwärts zu Boden, in ihrer Überraschung hatte sie den Schlag kaum gespürt. Sie hatte nicht gesehen, dass er seinen Ledergürtel abgezogen hatte, mit dem er sie und ihren Bruder schon so oft verprügelt hatte.
    »Wer?«, schrie er.
    Noch ein Schlag, und noch einer. Das Leder hinterließ rote Striemen auf ihrer Haut, so
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