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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Autoren: Carol Coffey
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wollte ein Top-Reporter werden, vielleicht sogar mit einer eigenen Kolumne. In England spielte es keine Rolle, wer man war oder woher man kam. Er wusste, dass ein paar seiner irischen Landsleute in London durchaus ihre Schwierigkeiten hatten, aber er hatte
nie irgendwelche Probleme gehabt und sich schnell eingelebt, hatte die Abendschule besucht und den Abschluss seiner journalistischen Ausbildung fest im Auge gehabt. Doch das war, bevor Mona ihm gestand, dass sie ein Kind erwartete und er, ehe er sich’s versah, ins Standesamt geschleppt wurde. Zwei Jahre später war ein zweites Baby unterwegs. Sie wohnten in einer Zweizimmerwohnung, und ihm blieb keine andere Wahl, als ihre Eltern um Hilfe zu bitten. Sie zogen nach Wicklow, wo ihr Vater ihnen ein Grundstück zur Verfügung stellte, auf das sie das bescheidene Vierzimmerhäuschen bauen konnten, das er jetzt seit acht Jahren bewohnte. Sam kannte viele Leute, die sich, genau wie er, verwundert fragten, an welchem Punkt ihres Lebens sie eigentlich falsch abgebogen waren.
    In der Kneipe ging es für einen Markttag ungewöhnlich ruhig zu. Er kannte viele der Bauern aus der Umgebung und obwohl er über fünfzig Kilometer entfernt wohnte, betrachteten sie ihn in der Regel als Einheimischen.
    »Was gibt’s Neues, Mattie?«, erkundigte er sich bei dem schon etwas in die Jahre gekommenen Gastwirt, mit dem er mittlerweile auf recht vertrautem Fuß stand.
    »Nicht viel, Sam, du weißt ja, wie es ist. Aber die kleine Byrne soll heute wieder nach Hause kommen. Mein Neffe holt sie ab. Er arbeitet halbtags auf dem Hof.«
    »Von wo denn nach Hause? Ich meine, ist sie was Besonderes, eine Prominente oder so?«
    »Ha, eine ganz spezielle Prominenz, könnte man sagen. Das Mädchen ist irgendwie zurückgeblieben oder so was. Hat ihrem Vater vor ein paar Jahren drüben am See den Schädel eingeschlagen. Seither war sie im Irrenhaus. Muss jetzt so an die zehn, elf Jahre her sein.«
    »Wer ist sie? Zu welchen Byrnes gehört sie denn?« Sam spürte seinen Blutdruck steigen.

    »Du kennst doch Seán Byrne, der mit dem Hof draußen an der Dublin Road. Das ist ihr Bruder. Dem schmeckt das Bier ein bisschen zu gut, weißt du. Muss ihn öfter mal abends hier rauswerfen.«
    »Ja«, erwiderte Sam. »Ich weiß, wen du meinst. Der hat bestimmt keine Lust, sie zurückzukriegen, wegen dem ganzen Tratsch und so weiter.«
    »Wahrscheinlich nicht, aber ich schätze mal, die Schwester noch weniger. Weißt du das denn gar nicht mehr? Das stand doch in allen Zeitungen.«
    »Nein«, erwiderte Sam und dachte düster an das prickelnde Leben, das er zu jener Zeit geführt hatte. »Ich glaube, da war ich noch in London.«
    Mit dem sicheren Instinkt, dass da eine Geschichte auf ihn wartete, leerte Sam sein Glas und machte sich auf den Weg, nicht etwa in Richtung Viehmarkt, sondern zum Haus der Familie Byrne. Mit einem Mal spürte er, dass sein Schicksal sich wenden könnte.
     
    Dermot Lynch hatte das Gefühl, als hätte sich der Verkehr in Dublin gegen ihn verschworen, nur damit er mehr Zeit mit Tess Byrne verbringen musste, als ihm lieb war. Er war von Natur aus schweigsam, hörte lieber zu, als selbst zu reden, und hielt sich am liebsten im Hintergrund. Tess’ Gegenwart machte ihn befangen. Jetzt befanden sie sich auf offener Strecke, in der Fahrerkabine herrschte eine unangenehme Stille. Er hoffte, sie würde etwas sagen, und beschloss, ihr eine Frage zu stellen.
    »Ähm, alle sagen Tess zu dir, aber du heißt eigentlich Teresa, stimmt’s?«
    Tess nickte.
    »Du siehst deiner Schwester Kate sehr ähnlich.«

    Keine Antwort. Er machte wieder denselben Fehler. Er musste ihr eine richtige Frage stellen.
    »Hast du in der Klinik Freunde gefunden?«
    »Ja.«
    Mein Gott, sie war wirklich ein harter Brocken. »Wie heißen sie?«, erkundigte er sich hoffnungsvoll.
    »Leroy Brennan«, erklärte Tess feierlich.
    »Leroy, das ist ungewöhnlich.« Falsch, wieder keine Frage. Also noch mal. »War er Ausländer … du weißt schon, aus einem anderen Land?«
    »Er hat gesagt, er ist Amerikaner. Seine Haut war braun«, erwiderte sie teilnahmslos.
    »Ich habe Verwandte in Amerika. In New York. Irgendwann möchte ich sie mal besuchen.« Dermot war nervös und hatte schon jetzt mehr mit Tess geredet als mit ihren Geschwistern, bei denen er seit etlichen Monaten angestellt war.
    »Haben sie dich weggeschickt?«, wollte Tess wissen.
    »Nein«, entgegnete Dermot. Womöglich hatte er mit seiner Frage in ein Wespennest
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