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Das Maedchen mit dem Stahlkorsett

Titel: Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
Autoren: Kady Cross
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ihn, nicht auf die schrecklichen Erlebnisse des Abends und die Erleichterung, dass es endlich vorbei war. Sie wollte nicht mehr an die blutende Imitation Victorias denken und nicht an ihr Gefühl, die Welt gehe unter, als sie Griffin mit der Klinge im Leib erblickt hatte.
    Er hatte mit seiner Kraft das ganze Gebäude zerstört, die Automatenkönigin und ihre Metallmänner waren verschüttet. Zweifellos war auch Leonardo Garibaldi unter den Trümmern begraben worden, doch niemand, der bei Verstand war, konnte das Mord nennen.
    Andererseits würde auch niemand erfahren, was sich dort wirklich zugetragen hatte. Es würde Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis Außenstehende überhaupt entdeckten, was von dem Maschinisten und seinen Plänen unter dem Lagerhaus übrig geblieben war.
    Warum hatte Garibaldi das getan? Nur weil Victoria der Ansicht gewesen war, die Welt dürfe nichts von den Organellen erfahren? Weil Griffins Eltern und ihr Vater zugestimmt hatten? Oder aus Rache, weil die drei ihre Arbeit mit den Organellen fortgesetzt hatten, was ihm nicht möglich gewesen war? Vielleicht war der Verlust seiner Hand der Grund. Oder alles zusammen. Garibaldi hatte offensichtlich schon vor langer Zeit den Verstand verloren. Wer konnte schon beurteilen, was wirklich in ihm vorgegangen war?
    Jedenfalls war sie froh, dass es vorbei war. Ihr Leben musste sich nun nicht mehr darum drehen, das Geheimnis zu lüften und den Schurken aufzuhalten. Im Moment kam es nur darauf an, dass Emily und Griffin wieder gesund wurden. Alles andere war nebensächlich.
    Vor allem hoffte sie, dass Jack richtig lag und Griffin wieder auf die Beine kam. Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn der einzige Mensch starb, der je ihr volles Vertrauen gefordert und sein eigenes dafür angeboten hatte.
    Sam dachte schließlich daran, Cordelia eine Nachricht zu schicken, dass sie Garibaldi besiegt hatten. Griffins Verletzung und ihren Aufenthaltsort verschwieg er ihr. Ersteres, damit sie sich keine Sorgen machte, und Letzteres, um Jack zu schützen, der sie in einer verzweifelten Lage aufgenommen und ihnen geholfen hatte, obwohl er nichts weiter war als ein gewöhnlicher Verbrecher. Was Sam anging, so war dies eine freundliche Geste, die erwidert werden musste.
    Er saß an Emilys Bett und hielt sich mit den Groschenromanen über amerikanische Cowboys im Westen wach, die er so gern las. Seltsam, dass er diese Lektüre so faszinierend fand, obwohl er fast täglich Lust hatte, Jasper den Hals umzudrehen. Immerhin, der Amerikaner hatte sich als verlässlicher Mitstreiter erwiesen.
    Allmählich wurden ihm die Augen schwer, er war schrecklich müde. Die Schlacht war überstanden, und nun fühlte er sich, als könnte er eine ganze Woche schlafen. Er musste nur noch sicher sein, dass es Emily und Griffin gut ging, dann konnte er sich ausruhen.
    »Sam?«
    Schlagartig war er wieder hellwach, riss die Augen auf und rutschte auf dem Stuhl nach vorn.
    »Emmy.« Auf den rein weißen Tüchern lag sie da wie ein Engel, auch wenn zu bezweifeln war, dass jemals ein Engel den Fuß über Jack Dandys Türschwelle setzen würde. Wie ein Heiligenschein umgaben sie die widerspenstigen Haare, und die Augen funkelten wie Juwelen, klar und ohne Schmerzen.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Als wäre ein Elefant über mich hinweggetrampelt«, erwiderte sie lächelnd. »Eigentlich ist es nicht so schlimm, aber mein Kopf …« Sie runzelte die Stirn. »Mein Kopf fühlt sich so seltsam an.«
    Er rückte noch weiter vor. »Soll ich dir einen Arzt rufen?«
    Sie schüttelte den Kopf, hielt inne und fasste seine Hand. »Ich brauche keinen Arzt.«
    »Woher weißt du das?«
    Sie erwiderte seinen Blick. »Ich … ich weiß es einfach, Sam. Es ist, als könnte ich alles sofort erfassen. Das ist unmöglich, aber ich glaube, die Begegnung mit der künstlichen Victoria hat mich verändert, und ich kann jetzt noch schneller und besser denken.«
    »Verdammt will ich sein«, flüsterte er. »Ich kann dir doch jetzt schon kaum folgen. Wenn du noch klüger wirst, willst du bestimmt nicht mehr mit mir reden.«
    Sie strahlte ihn an und drückte seine Hand. »Das ist das Netteste und zugleich das Dümmste, was du mir je gesagt hast. Natürlich will ich weiter mit dir reden. Es gibt niemanden, mit dem ich lieber reden würde.«
    Sam fühlte sich, als hätte sie in ihm eine Kerze angezündet, eine kleine, flackernde Flamme, die ihn völlig erwärmte. »Nicht einmal mit Griffin?«
    »Besonders mit dem nicht.
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