Das Mädchen, das nicht weinen durfte
Publikum und liebe Zuschauer zu Hause. Unser heutiges Thema …« Während ich ihr zuschaute, war ich wie hypnotisiert. Ich interessierte mich weder für das Thema der Sendung noch für die Gäste, sondern wartete nur gespannt auf ihre nächsten Moderationen. Es faszinierte mich, wie sie durch die Show führte, ihre Fragen zur richtigen Zeit stellte, ihre eigene Meinung vertrat und wie sie es schaffte, geschickte Überleitungen zum nächsten Gast zu finden. »Wow!«, dachte ich immer wieder, »das hat die aber jetzt toll formuliert!« Ich war einfach hin und weg, und es war nicht nur eine oberflächliche Begeisterung: Von diesem Tag an wusste ich, dass es für mich etwas anderes gab als Blut abzunehmen, Urinproben
zu checken und Termine zu vereinbaren. Ich hatte ein Ziel: Ich wollte Moderatorin werden, auch wenn ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wie ich das anstellen sollte. Aber die Idee blieb, sie hatte sich in mir festgesetzt, und ich würde daran arbeiten, sobald ich meine Ausbildung in der Tasche hatte.
12.
AUS DER ABSTELLKAMMER VOR DIE KAMERA
Kurze Zeit später war ich wieder in Köln unterwegs. Ich war lange nicht mehr ausgegangen und so gab ich nach, als meine Arbeitskollegin Zora mit mir in Köln in die Disco wollte.
»Die Discotheken sind viel cooler und die Leute auch!«, hatte sie mich gelockt. Vorher gingen wir essen und ich war danach ziemlich müde, ich wollte eigentlich viel lieber schlafen gehen, aber Zora war hartnäckig geblieben: »Du hast es mir versprochen, Khadra, du kommst mit!« Entsprechend lustlos setzte ich mich im Excalibur an die Theke und hoffte, dass sich Zora hier nicht zu wohl fühlte, denn ich wollte möglichst bald nach Hause. Als ich von der Toilette kam, wollte ich mich gerade wieder auf meinen Platz setzen, da sah ich ihn: Ganz hinten, an der Ecke der Theke stand er mit seinen Freunden und trank gerade einen Schluck. Es ist mir bisher nur einmal in meinem Leben passiert, dass ich mich auf den ersten Blick verliebte, und das geschah in diesem Moment. Ich setzte mich auf meinen Hocker und beugte mich zu meiner Kollegin vor.
»Zora, dreh dich jetzt bitte nicht sofort um, aber guck dir gleich mal den Typen hinter dir an der Theke an.« Nach ein paar Sekunden drehte sie sich unauffällig um und griff nach ihrem Glas.
»Mein Gott, sieht der gut aus!«, entfuhr es mir und sie nickte. »Zora, was soll ich machen?!«
»Geh doch einfach zu ihm hin.«
»Spinnst du?! So was würd ich mich niemals trauen.«
»Soll ich zu ihm hingehen?«
»Zoraaaaa! Neiiiiin! Vielleicht ist er mit seiner Freundin da.« Wir brauchten einen Plan.
»Schreib ihm deine Telefonnummer auf!«, rief Zora voll Freude über ihre Idee. »Dann gehst du raus und ich geb sie ihm.« Perfekt! Ich schrieb ihr meine Nummer auf einen Zettel. »Aber du gibst sie ihm erst, wenn ich hier verschwunden bin.« Zora lachte über meine panische Angst. Dann rannte ich raus und wartete auf sie, während mir die Gedanken durch den Kopf schossen. »Oh nein! Was tat ich da nur? Wie peinlich! Ich würde’ne Abfuhr bekommen! Und der lachte mich wahrscheinlich gerade mit seinen Freunden aus!« Doch dann kam Zora endlich und grinste mich an.
»Zora, ich schäm mich so! Und? Und? Nein, ich will’s gar nicht wissen! Doch, jetzt sag schon! Was hat er denn gesaaagt??!« Zora brach in schallendes Gelächter aus und schüttelte den Kopf,
»Ich hab ihm die Nummer gegeben«, sagte sie nur. »Ja, wie? Und weiter? Was hast du denn gesagt?«
»›Hier, das ist die Nummer meiner Freundin, die da drüben gerade saß‹, hab ich gesagt. Und er hat gefragt: ›Welche, die Große mit den dunklen Haaren und dem weißen Oberteil?‹« Er hatte mich also beobachtet! »Er wusste also, wer ich bin?«, fragte ich überflüssigerweise. »Jep!«
Ich hatte noch nie zuvor einen fremden Mann angesprochen oder eine Freundin geschickt, damit sie das für mich erledigte. Aber diesmal wusste ich, dass ich diesen Menschen sonst nie wiedersehen würde. Erst nach einer halben Stunde, als wir gerade im McDonald’s saßen und ich in meinen Big Mac biss, hatte ich mich von meinem Gefühlschaos erholt. Zuvor hatte ich Zora noch x-mal nach dem genauen Verlauf des Gesprächs mit ihm gefragt und war dabei zunehmend weniger hysterisch geworden. Aber jetzt bimmelte mein Handy. Eine SMS!
»Oh nein, das ist er bestimmt.« Ich sah auf mein Handy und kannte die Nummer nicht.: »Na, Süße? Wie heißt du denn? LG Sascha«, stand da. Er hieß also Sascha.
»Shit,
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