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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua
Autoren: Charlotte Thomas
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gleich beim Knall des Schusses verschwinden müssen«, begehrte Timoteo auf. »Dann wüsstest du es jetzt selbst!«
    »Was wüsste er selbst?« Brodata Caliari kam ins Zimmer und trat neben den Rollstuhl, erpicht darauf, die letzten Neuigkeiten zu erfahren. Die Nachricht vom Kampf auf der Piazza delle Erbe hatte bereits die Runde gemacht, während er noch im Gange war.
    »Verbannung«, platzte Timoteo heraus. »Gradenigo hat es vor allen Leuten geschworen, beim heiligen Antonius. Ein Zwischenfall noch, gleichviel wie unbedeutend, und wir werden alle verbannt. Unsere ganze Familie.«
    »Das hat er so nur so dahergesagt«, erklärte Brodata impulsiv. Wütend fügte sie hinzu. »Und warum nur wir? Warum nicht die Bertolucci? Oder sagte er, dass auch die Bertolucci verbannt werden sollen?«
    »Von ihnen war nicht die Rede.«
    »Was für eine empörende Ungerechtigkeit!«
    Timoteo räusperte sich. »Vielleicht hat es damit zu tun, dass nicht sie jedes Mal anfangen, sondern wir. Heute ja auch wieder.«
    »Wie fing es denn an?«, wollte sie wissen.
    »Daran erinnere ich mich nicht mehr so genau«, meinte Timoteo ausweichend.
    »Es fing damit an, dass ich Gentile Bertolucci einen schwanzlosen Versager nannte«, mischte sein Bruder sich wütend ein. Er reckte sich. »Er hätte mich eben nicht so frech angrinsen sollen.«
    »Oh, das hast du wirklich zu ihm gesagt?«, fragte Brodata. Sie runzelte die Stirn. »Eine veritable Beleidigung, alles was recht ist.«
    Brodata Caliari war die Tante von Timoteo und Hieronimo und führte den Haushalt mit harter Hand. Sie war zweiundvierzig und damit zehn Jahre jünger als ihr Bruder Alberto, sah aber nach allgemeiner Ansicht nicht älter aus als fünfunddreißig. Ihr bernsteinfarbenes Haar zeigte keine Spur von Grau, und ihre Figur war füllig und fest und zog immer noch viele Männerblicke auf sich. Allerdings hatte sie nie geheiratet. Das sowie ihre harsche Art hatten ihr mancherorts den Beinamen Eiserne Jungfrau eingetragen.
    Alberto sagte nichts. Sein hageres Gesicht war bleich geworden, und seine Kiefer mahlten. Er wusste genau, dass Gradenigo bisher noch immer sein Wort gehalten hatte, im Guten wie im Schlechten.
    Timoteo räusperte sich abermals. »Ich muss dann wieder los«, sagte er. »Das Repetitorium fängt gleich an.«
    In Wahrheit fing es erst in einer Stunde an, es gab keinen Grund zur Eile. Außer jenem, dass er es keinen Augenblick länger hier aushielt. Bevor jemand Einwände erheben konnte, eilte er aus dem Zimmer. Nur schnell fort von hier!
    Celestina und Arcangela hielten sich immer noch auf der Piazza auf. Eine Ersatzkutsche ließ sich auf die Schnelle nicht beschaffen, stattdessen rückte der hilfsbereite Capitano Manzini mit einem Handkarren an. »Der wird später sowieso noch benötigt, um die Leichen fortzuschaffen.«
    Arcangela zog zuerst ein Gesicht, lächelte ihn dann jedoch lieblich an, denn es brauchte nicht viel Sachverstand, um zu erkennen, dass sie auf seine Hilfe angewiesen waren.
    »Wie stark Ihr seid«, flötete sie. »Eure Schultern sind unglaublich breit und kräftig! Diese Uniform kleidet Euch wahrhaftig gut!«
    Manzini warf sich in die Brust und lud mit Schwung die Reisekisten auf den Karren. Anschließend legte er sich wie ein Ochse ins Zeug, das rumpelnde Gefährt über das Pflaster der Piazza zu ziehen. Seinem Rang entsprechend, hätte er die Arbeit leicht delegieren können, doch es schien ihm nichts auszumachen, den Karren allein zu ziehen.
    Unterdessen nutzte Celestina die Gelegenheit, mehr über die Bertolucci und die Caliari herauszufinden. »Dieser schreckliche Kampf vorhin – was war eigentlich die Ursache?«
    Der Capitano wandte ihr sein schwitzendes Gesicht zu. »Hieronimo Caliari hat Gentile Bertolucci beleidigt. Sie trafen einander zufällig auf der Piazza. Wenn es denn überhaupt Zufall war. Meine Meinung dazu ist, dass sie einander gar nicht oft genug treffen können. Sonst hätten sie ja keine Gelegenheit, sich zu beschimpfen und zu prügeln. Und tatsächlich waren dann ja auch in Windeseile alle Beteiligten zugegen, als hätten sie nur auf die große Prügelei gewartet.« Er hob die Schultern. »Nur dass es diesmal übel endete, weil welche draufgegangen sind. Meist bleibt es bei blutigen Nasen oder ein paar blauen Flecken. Den letzten Toten gab es vor vier Jahren, und das war eigentlich eher ein Versehen, der hatte einen Herzschlag. Aber heute – gleich zwei! Abgestochen wie Tiere!« Er wiegte den Kopf. »Das lässt für die
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