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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman
Autoren: Rebecca Hohlbein
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kopfschüttelnd, ließ Soras Hand los, eilte furchtlos auf ihren Vater zu und zwang sich ein Lächeln ins Gesicht, als ihre Blicke sich trafen. Sie war erstaunt, wie schwer es ihr fiel, denn eigentlich hätte sie sich von ganzem Herzen freuen sollen, ihn wiederzusehen. Letzten Endes hatte er sie schließlich doch gebeten, nach Hohenheim zurückzukehren, obwohl sie ihn (zumindest objektiv betrachtet) tatsächlich verraten hatte, als sie an der Seite der Paradieslosen mit wehenden Fahnen in den Krieg um Montania gezogen war. Er hatte die Wahrheit gesagt, wann auch immer er Walla erwähnt hatte. Er hatte nach bestem Wissen und Gewissen für sein Volk gesorgt, und er hatte sich auch um Sora gekümmert, sobald seine worauf auch immer beruhenden Zweifel an seiner Vaterschaft aufgehoben gewesen waren. Chita schämte sich für all die Fehleinschätzungen, denen sie erlegen war, und brachte es dennoch nicht zustande, die Skepsis, die ihre Intuition ihr zuschob, gänzlich zu ignorieren. Was auch im nicht aufrecht erfreuten Blick Rah Loros begründet liegen mochte.
    »Vater!«, rief sie trotzdem und streckte beide Hände in seine Richtung aus, als sie einige Schritte auf ihn zugetan hatte. »Ich bin so froh, dass du hier bist. Wo ist Mutter?«
    »Sie wartet in Hohenheim auf ihre Tochter, die uns verraten hat«, antwortete Rah Loro finster und richtete seine Waffe zu ihrem Entsetzen jäh auf Chita. »In etwa zweihundert Fuß Tiefe, wenn ich mich nicht verschätze. Ein guter Platz für die Unvernunft an sich. Einer jener Orte, die zu deiner weiteren Verwahrung zur Auswahl gestanden hätten, wenn du rechtzeitig nach Jama zurückgekehrt wärst.«
    »Was …«, schnappte Chita fassungslos, und Mikkoka schloss zu ihr auf und riss sie vom ehemaligen Herrscher über Ljim und Jama zurück.
    »Er ist irre!«, zischte sie mahnend. »Bleib auf Abstand, Prinzessin.«
    Irritiert schüttelte Chita den Kopf und betrachtete ihren Vater erst jetzt genauer. Sein einstmals prunkvolles, blau und grün schimmerndes Gewand hing in ausgebleichten Fetzen von seinem mageren Leib, und nur eine einzige zerrupfte Feder klammerte sich noch verzweifelt in seinen Schopf, dessen leuchtendes Goldblond vom Salzwasser stumpf und brüchig geworden war. Sein Schmuck war so verbogen, dass ihm einer der Armreifen das Blut über einem Handgelenk abschnürte, was er aber gar nicht wahrzunehmen schien. Ohne all das Tonpuder, mit dem er sein Gesicht gemeinhin versehen hatte, ehe er auch nur einen einzigen Schritt aus seinem Schlafgemach getan hatte, wirkte seine Haut grau und faltig. Seine Wangen waren eingefallen wie die der Paradieslosen in der Grotte von Silberfels, und tiefe, dunkle Ringe umrahmten die von geplatzten Äderchen durchzogenen Augen wie Vulkankrater.
    Chita fröstelte. Ein unsichtbares Seil schien sich um ihre Kehle zu legen und langsam zuzuziehen. »Was ist passiert, Vater?«, flüsterte sie in einer Mischung aus Schrecken, Furcht und Sorge. »Was ist mit dir passiert? Wieso … Warum richtest du deine Waffe auf mich? Ich bin deine Tochter …«
    Rah Loro lachte hässlich auf. »Wieso richte ich meine Waffe auf eine Verräterin?«, spottete er mit seiner nunmehr auch noch krächzenden, verbrauchten Lispelstimme. »Warum richte ich meine Waffe auf eine Paradieslose, die mein eigenes Volk mit allen Mitteln und Möglichkeiten gegen mich aufgebracht hat? Weshalb richte ich meine Waffe auf eine Hure?« Er schwenkte den Arm und zielte nun auf Cocha, der an Chitas Seite gerückt war. »Warum töte ich nicht erst ihren Freier?«, führte er unter irrem Gelächter weiter aus. »Oder den Bastard?«
    Nun war es wieder Kratt, der in die Mündung des Flammenwerfers blickte. Aber das entlockte ihm nur ein mattes Lächeln.
    »Ein Bastard wie der kleine Rossa«, kommentierte Kratt gelassen. »Aber was rede ich: Er war sogar noch weniger als das. Du hast ihn gestohlen.«
    »Was soll das, bei Sirius?«, meldete sich Cocha auf seine ruhige, aber bestimmte Art zu Wort. »Rossa ist tot. Genau wie meine Familie und Millionen andere Menschen. Wir alle haben so viel verloren. Wir sollten …«
    »Schnauze, Lemming!«, fauchte Kratt und ließ seinen ehemaligen Weggefährten kurz, aber nachdrücklich an seinem Kugelpuffer schnuppern.
    Cocha wich erschrocken zurück.
    »Ich soll dich von meinem Ziehvater grüßen, ehe ich dich töte, Loro«, richtete er das Wort sodann wieder an Chitas Vater. »Und von meiner Mutter.« Er nickte knapp in Richtung seines Gürtels, an dem immer
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