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Das Mädchen aus dem All

Das Mädchen aus dem All

Titel: Das Mädchen aus dem All
Autoren: Iwan Jefremow
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Beendigung seiner Tätigkeit im »Haus der Geschichte« des amerikanischen Sektors, war er hierher übergesiedelt.
    Das Zimmer — genaugenommen war es eine Veranda, deren Außenwand aus einer großen polarisierenden Glasscheibe bestand — ging auf die Weiten einer welligen Hochebene hinaus. Von Zeit zu Zeit schaltete Mwen Mass die kreuzweise Polarisation ein. Dann herrschte im Zimmer ein mattes Halbdunkel, und auf dem Hemisphärenbildschirm zogen in elektronischer Wiedergabe langsam Bilder, Ausschnitte aus alten Filmstreifen, Skulpturen und Gebäude vorüber. Der Afrikaner betrachtete sie eingehend und diktierte dem automatischen Sekretär Aufzeichnungen für sein künftiges Buch. Die Maschine tippte und numerierte die Blätter, legte sie vorsichtig zusammen, geordnet, nach Thematik oder Schlußfolgerung.
    Ein wenig abgespannt schaltete Mwen Mass die Polarisation aus und trat ansFenster. Er schaute in die Ferne und dachte über die Bilder auf dem Schirm nach.
    Erstaunlich, wieviel von der noch unlängst existierenden Kultur bereits wieder dem Vergessen anheimgefallen war. Völlig verschwunden waren die sprachlichen Feinheiten, die für die Ära der Wiedervereinigten Welt so charakteristisch waren, die rhetorischen und stilistischen Kunstgriffe, die seinerzeit als Zeichen umfassender Bildung galten. Kein Dichter schrieb mehr um der »Musik des Wortes« willen, was in der Ära der Gemeinsamen Arbeit so weit verbreitet war. Verschwunden war das kunstvolle Jonglieren, das geistreiche Spiel mit Worten. Schon damals bestand nicht mehr die Notwendigkeit, seine Gedanken zu tarnen, was in der Ära der Partikularistischen Welt noch so wichtig gewesen war. Alle Gespräche waren weitaus einfacher und kürzer geworden. Vermutlich würde die Ära des Großen Rings das Zeitalter des dritten Signalsystems des Menschen werden — das Zeitalter der wortlosen Verständigung.
    Hin und wieder wandte sich Mwen Mass mit neuformulierten Gedanken an den unermüdlichen mechanischen Sekretär: »Mit dem ersten Jahrhundert der Ring-Ära nimmt auch die von Ljuda Fir begründete Fluktuationspsychologie der Kunst ihren Anfang. Ihr ist es gelungen, den Unterschied zwischen emotionaler Wahrnehmung bei Frauen und Männern wissenschaftlich nachzuweisen, indem sie jene Sphäre auslotete, die jahrhundertelang halb mystisch als Unterbewußtsein bezeichnet wurde. Diese unterschiedliche Auffassung von der Gegenwart nachzuweisen war noch das wenigste. Ljuda Fir gelang Größeres: Sie machte die zentralen Bahnen der sinnlichen Wahrnehmung ausfindig, die nunmehr bei beiden Geschlechtern zur Übereinstimmung gebracht werden konnte.«
    Ein Klingelzeichen und das Aufblitzen eines grünen Lämpchens riefen den Afrikaner zum Televisiofon. Ein Anruf während der Arbeitszeit hatte etwas Ernstes zu bedeuten. Mwen Mass schaltete den automatischen Sekretär aus und lief nach unten in die Ferngesprächszelle.
    Auf dem Bildschirm begrüßte ihn Weda Kong mit abgeschürften Wangen und tiefen Schatten unter den Augen. Erfreut streckte ihr Mwen Mass seine großen Hände entgegen; ein schwaches Lächeln ging über Wedas kummervolles Gesicht.
    »Helfen Sie mir, Mwen. Ich weiß, daß Sie beschäftigt sind, aber Dar Weter ist nicht auf der Erde und Erg Noor weit weg. Außer den beiden habe ich nur Sie, an den ich mich mit jeder Bitte wenden kann. Ein Unglück . . .«
    »Was? Dar Weter?«
    »O nein! Ein Einsturz bei den Höhlenausgrabungen.«
    Weda berichtete mit wenigen Worten, was sich in der Den-Of-Kul-Höhle ereignet hatte.
    »Sie sind jetzt der einzige meiner Freunde, der freien Zutritt zum Prophetischen Gehirn hat.«
    »Zu welchem der vier?«
    »Zu dem der Einfachsten Gewißheit.«
    »Ich verstehe. Sie wollen den geringsten Aufwand an Arbeit und Material berechnet haben, der notwendig ist, um zur Stahltür vorzudringen. Und die Angaben?«
    »Sie liegen vor mir.«
    Mwen Mass notierte einige Zahlenreihen.
    »Jetzt kommt es darauf an, wann die Maschine meine Angaben entgegennimmt. Warten Sie, ich setze mich sofort mit dem diensthabenden Ingenieur des Gehirns in Verbindung. Das der Einfachsten Gewißheit liegt im australischen Sektor der südlichen Zone.«
    »Und wo ist das der Höchsten Gewißheit?«
    »Im indischen Sektor des nördlichen Wohngürtels, da, wo ich jetzt bin. Warten Sie, ich schalte um.«
    Der Bildschirm erlosch, und Weda versuchte, sich das Prophetische Gehirn vorzustellen. In ihrer Phantasie entstand ein gigantisches menschliches Gehirn mit seinen
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