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Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Titel: Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Autoren: Evelyn Sanders
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Erkenntnisse handelte, deren praktische Anwendung vermutlich noch kein Mensch ausprobiert hatte. Am allerwenigsten er selbst. Deshalb bemühte sich Tinchen um einen raschen Themenwechsel.
    »Bevor du gehst, Mutti, würdest du mir wohl die Senfsoße für die verlorenen Eier machen? Bei mir sieht die immer aus wie Tapetenleim, und sehr viel anders schmeckt sie auch nicht.«
    Frau Antonie war in ihrem Element. »Aber natürlich, Kind, das ist doch eine Kleinigkeit.« Sie stand auf und band sich die Küchenschürze um. »Jetzt pass aber mal ganz genau auf! Erst macht man eine richtige Mehlschwitze. Dazu brauchst du …«

    Die Unterredung mit dem Sperling verlief kurz und erfolgreich. Ein bisschen zu kurz, fand Florian, denn er hatte sich etwas mehr Widerstand erhofft.
    »Was Sie da vorhaben, ist sehr vernünftig«, hatte Dr. Vogel kopfnickend bestätigt, »sehr vernünftig. Abstand gewinnen, den Gesichtskreis erweitern – ja, ja, wirklich sehr vernünftig. Und Amerika ist uns da um einiges voraus. Vor allem im Pressewesen. Wohin werden Sie denn gehen?«
    »Nach Stein … äh, das steht noch nicht genau fest«, hatte Florian gestottert, denn ganz offensichtlich hatte der Sperling mal wieder einiges missverstanden. Egal, Hauptsache, er genehmigte den unbezahlten Urlaub und sicherte Florians Rückkehr auf dessen angestammten Platz zu. Vielleicht sogar eine Beförderung? Die Lokalredaktion hatte er nun acht Jahre lang verwaltet, als Beamter wäre er bestimmt schon bei der Innenpolitik gelandet, aber Journalisten sind nun mal keine Beamte und Chefredakteure selten an dem beruflichen Aufstieg ihrer Mitarbeiter interessiert. Sie wittern Konkurrenz.
    »Wen soll ich jetzt als meinen vorübergehenden Nachfolger einarbeiten? Ich schlage Gerlach vor, der hat ja auch die letzten beiden Male die Urlaubsvertretung gemacht.«
    Dr. Vogel winkte ab. »Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf. Es wird sich schon jemand finden. Wie lange ist Herr Vollmer eigentlich bei uns?«
    Jürgen Vollmer war der Sohn eines süddeutschen Pressezaren und in einem Augenblick väterlicher Ungnade dem Tageblatt als Volontär aufgehalst worden, um das Gewerbe ›von der Pike auf‹ zu lernen. In der Druckerei hatte man ihn nach einer Woche rausgeschmissen, weil er in jeder freien Minute – und nicht nur dann! – mit den Arbeitern gepokert hatte. In der Anzeigenabteilung war er nur zwei Tage geblieben, denn er hatte die hereingegebenen Inseratentexte eigenmächtig geändert. Daraufhin verzichtete die Werbeabteilung von vornherein auf seine Mitarbeit, der Vertrieb lehnte ebenfalls dankend ab, weil er ein Chaos in der EDV-Anlage fürchtete, für die Vollmer ein brennendes Interesse gezeigt hatte, und so war er schließlich in der Redaktion gelandet. Da konnte er noch am wenigsten Unheil anrichten, zumal er sich bloß stundenweise sehen ließ und auch dann nur mit den Sekretärinnen flirtete. Gelernt hatte er doch nichts, aber »Die Leiter zum Erfolg ist wesentlich leichter zu erklimmen, wenn der Herr Papa die Sprossen macht«, hatte Florian gesagt und Vollmer zur Prunksitzung des Düsseldorfer Carneval-Vereins geschickt. Dort befand er sich unter seinesgleichen, und die Zehn-Zeilen-Notiz würde später irgendein anderer schreiben.
    »Sie wollen den Vollmer doch nicht mit der Lokraledaktion betrauen?«, hatte Florian erschrocken gefragt. »Das kann er doch gar nicht.«
    »Das zu beurteilen, überlassen Sie bitte mir«, hatte der Sperling geantwortet und versöhnlich hinzugefügt: »Er muss schließlich ein paar Erfahrungen sammeln.«
    »Aber bitte nicht auf meinem Stuhl!«
    »Eigentlich haben Sie Recht, Bender«, hatte Dr. Vogel überlegt. »In Anbetracht seiner späteren Position sollte man ihm doch etwas Verantwortungsvolleres übertragen.«
    Worauf Florian gekränkt das Zimmer verlassen hatte. Wenn er erst mal weg war, würden die schon sehen, was sie an ihm gehabt hatten. Die Tage bis zu seiner Rückkehr würden sie zählen! Die hatten ja alle keine Ahnung, um wie viel Kleinkram er sich täglich kümmern musste, und wie viel Ärger er sich dabei einhandelte! Und ausgerechnet der Vollmer, dieser arrogante Zeitungsimperiumserbe, sollte die Lokalredaktion übernehmen! Der mokierte sich doch über jeden zweiten Leserbrief! Die schönsten davon, worunter er in erster Linie die orthografisch nicht ganz einwandfreien verstand, kopierte er heimlich und sammelte sie in einem Schnellhefter, den er später bei seinen ebenso bornierten Freunden herumreichen
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