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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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mitten im Gesicht. Es knackte und fühlte sich gut an. Ich hatte ihm die Nase gebrochen, meine erste Nase.

Kapitel 40
    LELLA
    Leben und Tod? Matilde! Claudio? Der alte Anwalt? Wer von den dreien?
    »Was ist passiert? Mario, bitte, ich muss alles wissen!«
    Mario preschte im Rückwärtsgang über die Mole, der Motor heulte auf. Gaetano hielt sich mit beiden Händen am Armaturenbrett fest. Neben mir auf der Rückbank war ein großer, frischer Blutfleck. Ich rückte noch weiter davon weg.
    »Die haben sich geprügelt«, rief er immer noch im sizilianischen Dialekt, sodass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Wer?!«
    »Il tedesco. Phil.« Er sprach Phils Namen wie das deutsche ›viel‹ aus.
    Phil war hier? Wieso war er hier? Jemand hatte ihn verprügelt, wie furchtbar! Er hatte sich vielleicht für mich geprügelt, wie großartig! Mein Herz vollführte einen seiner Doppelhopser und schämte sich sofort dafür.
    »Si! Sie werden nicht glauben, aber wenn Sie Gesichter sehen von die beide, vielleicht schon...«
    »Moment mal, Mario! Warum sprechen Sie auf einmal... Sie können Deutsch!?«
    »Aber sicher«, erwiderte er, »ich kann auch diplomazia und
interprete, äh, wie heißt noch mal, Übersetzer, kann ich auch. Hab ich die Fragen genau übersetzte. Jede Wort!« Mario drehte sich fortwährend zu mir nach hinten. Vielleicht hätte ich mich besser neben ihn gesetzt, dachte ich, das würde unsere Überlebenschancen erhöhen. Immerhin fuhren wir jetzt wieder vorwärts. Wir kamen am Sportplatz, dann am Hafen vorbei. Eine Nachricht landete auf meinem Handy, gedämpft hörte ich das Ploppen aus meiner Handtasche. Ja, Susa, ich weiß, dachte ich, dir gefällt die Idee mit dem Einsatzkommando immer noch. Aber jetzt habe ich keine Zeit, dir zu antworten. Denn gerade berichtete Mario uns mit lauter Stimme von einem Hilfskarabiniere, der die beiden Kämpfenden verhaften wollte. Natürlich sei es allein ihm, Mario, zu verdanken, dass dies nicht geschehen sei. Er habe ihm erzählt, sie wären zwei gute Freunde, die sich verwechselt und aus Versehen in die Fresse gehauen haben.
    ... »O scusi, Signorina!«, entschuldigte er sich bei mir. In seinem gewöhnungsbedürftigen Deutsch setzte er hinzu: »Und habe ich sie einfach gepackt in mein Taxi, beide mit viel Blut, der andere spielte wie umgebracht.«
    Obwohl ich meinte zu wissen, wer der andere, der spielte wie umgebracht, war, fragte ich Mario: »Bitte, wer hat wen krankenhausreif geschlagen, und wie haben Sie mich überhaupt gefunden?«
    »Heute um fünf, ich gehe in die Bar, wie immer, bevor ich anfange mit Taxi. Und steht diese tedesco da und fällt mir fast um die Hals.«
    Gaetano drehte sich fragend zu mir um.
    »Dein Deutsch ist toll, Mario, aber sprich doch lieber Italienisch, meinetwegen auch Dialekt. Dann können wir alle etwas verstehen.«

    Auf Italienisch erzählte Mario uns, dass Phil nach mir gefragt hätte. Er hätte nicht gewusst, wo er mich suchen sollte, und auch nicht, wo Porticello liegt. Er hob sekundenlang beide Hände vom Lenkrad. »Porticello! Ist da, wo immer ist, oder, Signorina?«
    In meinem Bauch drehte sich eine Mischung aus sahnigem Glück und kribbelnder Angst. Phil war zurück nach Sizilien gekommen! Zurück zu mir? Er hatte doch nicht etwa die schwangere Brigida verlassen? Und wenn doch? War das nicht unfair, irgendwie unmoralisch? Musste ich ihn zu ihr zurückschicken? War er schwer verletzt?
    Mario schilderte, wie Phil ihn angeheuert und für seine Übersetzerdienste bezahlt habe. Gott sei Dank vorher, denn er hätte doch nicht ahnen können, dass die beiden sich nach zwei Sätzen verhauen würden.
    »Und wie haben Sie mich gefunden?«
    Das sei der Instinkt von diesem schlauen tedesco, diesem Phil, gewesen. Mario grinste begeistert in den Rückspiegel. In einem Hafen in der Nähe, bei den Segelbooten, habe er mich suchen sollen. Oder im Limonenhaus, falls er wüsste, wo das sei, habe der tedesco ihm gesagt. Wieder verfiel er, ohne es zu merken, ins Deutsche. »Aber klar weiß ich, wo die Casa dei Limoni steht, bin ich ja aus Porticello!«
    Wie gut Phil mich kannte! Doch bevor ich darüber weiter nachdenken konnte, waren wir an der Notaufnahme angekommen. Vor dem Eingang standen die Leute in dicken Trauben beieinander. Mario schob uns hindurch. Ein Mann an einem Tropf zog an seiner Zigarette und kam mir dabei beunruhigend nah. Ich wich zurück. Seine tiefen Augenringe hatten exakt den gleichen violetten Farbton wie sein Bademantel.

    Gaetano
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