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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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stand mir nicht der Sinn. Einige Minuten, bevor der Handyladen um elf endlich aufmachte, stand ich ungeduldig vor der Tür. Fünfzig Minuten später war ich Besitzer eines neuen Handys und einer unendlich langen italienischen Telefonnummer.
    Zurück im Auto schloss ich die Augen und konzentrierte mich. Zwei wichtige Punkte auf meiner Liste waren noch offen: das Limonenhaus und Lellas Pension. Wie sollte ich die jemals finden?
    Ich überlegte. Hatte Lella das Haus irgendwann genauer
beschrieben? Es stand am Meer. Doch Meer gab es hier jede Menge. Sollte ich die ganze Küste abfahren? Ihre Pension konnte überall sein. Aus welchem Blickwinkel ich die Angelegenheit auch betrachtete, um eine aufsehenerregende Suchaktion würde ich nicht herumkommen. Das war die Gelegenheit! Endlich konnte ich meine bemüht originellen Ideen, die ich bei Brigida verschwendet hatte, für etwas durchaus Lohnendes einsetzen.
    Ich hatte die Wahl: Ich konnte »Lella, wo bist du?« an den Himmel schreiben oder Flugblätter verteilen. Ich konnte sie mit einem dieser kleinen Wagen, die mit quäkendem Megafon durch die Gassen fuhren und Matratzen oder Haushaltswaren verkauften, ausrufen lassen. Doch ich durfte ihr nicht schaden. Zu viel Lärm um ihre Person würde sie vielleicht in Verruf bringen, so viel hatte ich von Sizilien schon verstanden. Also musste ich vorsichtig und geschickt vorgehen und ein bisschen lustig natürlich auch. Sie sollte nicht anders können, als ihren Mund zu einem Lächeln zu verziehen.
    Nach zwei Stunden hatte ich weder Pension noch Limonenhaus gefunden, doch klebten jetzt viele Zettel in Bagheria, deren Neongrün so aufdringlich hervorstach, dass man genötigt war, sie zu lesen. Überall klebten sie, vor der Kanzlei, vor der Bar Aurora, auch in der rückwärtigen Gasse, knapp neben der Tür, durch die es zur Backstube ging, an der Schranke zum Hochhaus der Familie LaMacchia, an allen Kirchen und Strommasten, die mir Erfolg versprechend erschienen. Dabei war ich häufig von den Bagherianern, oder wie auch immer man sie nannte, mit neugierigen Blicken bedacht worden. Doch niemand hatte ein Wort zu mir gesagt.

    SALINA! L.!
    Habe neue Telefonnummer:
0039-338-47926345
Ruf mich bitte an. P.
     
    »SALINA!« war sicherlich ein Blickfang für sie. »EINFACH NUR WEISSE ROSEN?« hatte ich nach langem Abwägen verworfen. Das »L.« bedeutete natürlich Lella, aber das wusste nur sie.
    Nachdem ich die Zettel angebracht hatte, fuhr ich weiter ziellos durch den Ort, in der vagen Hoffnung, mit dem Auto zufällig in irgendeine Straße einzubiegen und dabei den Zipfel einer auberginenfarbenen Strickjacke aus den Augenwinkeln zu erhaschen. Ich ließ mich von blauen Einbahnstraßenpfeilen und kreisrunden Verbotsschildern durch die engen Gassen Bagherias schicken und hielt Ausschau nach ihrem tänzerischen Gang. Ich fantasierte davon, über einen Platz zu laufen, hinter mir Absätze zu hören, mich umzudrehen und dann... Obgleich ich nicht einmal wusste, was ich genau tun würde, wenn ich sie träfe, sehnte ich mich so sehr nach ihr, dass es wehtat. Aber ich konnte nichts tun, als auf ihren Anruf zu warten und dabei weiterzufahren und Ausschau zu halten. Überall begegnete ich meinen kopierten Zetteln.
    L.! Ruf mich bitte an!
     
    Warum tat sie das nicht endlich!? Wo zum Teufel war sie? Ich kontrollierte noch einmal mein neues Handy, ein Vorführmodell, das bereits aufgeladen war, aber auf dem nachtblauen Display blinkte nur die Uhrzeit. 17.02 Uhr. Seit zehn Stunden suchte ich nun schon nach ihr.

    Da ich gerade in der Nähe war, steuerte ich die Bar Eden an. Ich kannte Bagheria schon recht gut, vielleicht sogar besser als manch einer der Taxifahrer, die den Tresen umlagerten und mir zunickten, als ich mit gewaschenem Gesicht und ordentlich zurückgekämmtem Haar aus der Toilette kam. Einer von ihnen sagte: »Va meglio , eh?!«, was wahrscheinlich »Jetzt geht’s dir besser, was?« bedeuten sollte. Ich bestellte einen Milchkaffee.
    Die Tür ging auf, eine weitere Gestalt durchquerte die Bar. Sekunden später klopfte mir jemand auf die rechte Schulter und rief ein »Ouuuh!« in mein Ohr. Es war Mario ›warmer Arm‹, der Taxifahrer, und obwohl meine Erinnerungen an ihn nicht allzu angenehm waren, freute ich mich jetzt, ihn zu sehen. Mario war der Schlüssel zu allem, schließlich hatte er Lella zu mir nach Palermo ins Hotel gefahren. Er wusste, wo ihre Pension war!
    »Wo iste wunderschöne Signorina?«
    Ich schnappte nach Luft. Ich
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