Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
hatte es doch geahnt, der Kerl konnte Deutsch! »Also verstehen Sie mich?«
    »Natürlich! War lange in Stoccarda, Stuttgart. Iste zwanzig Jahre her.«
    »Ja aber...« Warum war er dann vor ein paar Tagen mit mir durch die Straßen gefahren und hatte ausschließlich Sizilianisch gesprochen?
    Mario beantwortete meine ungestellte Frage: »Habe ich manche Male keine Lust, Deutsch zu spreche, aber manche Male schon.«
    Ich wurde so aufgeregt, dass ich ungeduldig seine Schulter tätschelte, etwas, was sonst bestimmt nicht meine Art war. »An dem Morgen neulich, wo haben Sie die Signorina da abgeholt?«

    Er sah mich verständnislos an.
    Ich sprach langsamer: »Erinnern Sie sich? Von welchem Hotel? Wo war ihre Pension?«
    »Ah, meine deutsche Freund, musst du ehrlich zugeben, iste eigentlich Schutze von die Daten.« Er wollte sich schier kaputtlachen über diesen gelungenen Scherz. »Wo ich abgeholt habe die Signorina? Na, an die Hafen, al porto di Porticello, vor eine Bar. Und rate, wie heißte die Bar?!« Er lachte wieder, als er mein gespanntes Gesicht sah. »Bar al porto!«
    Meine Hoffnung stürzte in sich zusammen. Diese Ortsangabe lieferte mir nur einen schwachen Hinweis auf den Standort der Pension. Sie musste zu Fuß vom Hafen aus in wenigen Minuten erreichbar sein.
    Ich ließ mir von ihm seine Visitenkarte in die Hand drücken, »Wenn du eine gute Fahrer brauchst, ne?«, und bezahlte meinen Milchkaffee. Weil ich von Lella wusste, dass man seine Mitmenschen mit dem Bezahlen auch demütigen kann, bezahlte ich seinen Espresso gleich mit und verließ die Bar.

Kapitel 38
    LELLA
    Gaetano ging ein paar Meter bis zum Ende der Mole auf das Felsplateau zu. Dort glitzerte es, als ob Glasscherben zwischen den flachen Steinen verstreut wären, doch es war die Sonne auf dem Meerwasser, das in den Löchern und Mulden stand.
    Er hätte mein Vater werden können, und ich wäre nicht Santinella genannt worden, ganz bestimmt nicht. Vielleicht hätten sie mich Giovanna getauft, und ich wäre Siziliens erste Sterne-Köchin geworden oder Tauchlehrerin auf Salina.
    Ich holte ihn ein. »Du hast Marias Tischhälfte vor den Flammen gerettet, oder?«
    »Ja.« Seine Handflächen zeigten zum Himmel. »Und viele andere Sachen auch. Meine Tochter ist hier oft heimlich hingegangen. Sie hat stundenlang im Haus gesessen, in der ersten Zeit, als sie wieder bei uns wohnte. Teresa bekam das raus und hat es ihr verboten. Denn Teresa hasste dieses Haus.«
    Er schaute zum Limonenhaus hinüber.
    »Nun weiß ich auch, warum. Es hat sie an ihren Verrat und die Lüge erinnert, auf die ihr ganzes Leben aufgebaut ist. Als ich Grazia in der Klinik besucht habe, musste ich es
ihr in die Hand versprechen, dass ich mich darum kümmere. Hinten in der pasticceria habe ich eine große Kiste stehen, mit vielen Dingen, die Grazia wichtig waren. Erinnerungen an deinen Bruder, Fotos, seine Lederjacke und solche Sachen eben. Für Matilde. Ich konnte die Tischhälfte nur ganz knapp vor Teresas Feuer retten, kam fast zu spät. Meine eigenen Söhne ließen mich nicht rein. ›Geh nach Hause, Papa!‹, riefen sie von dort oben.« Er zeigte auf das schmale Küchenfenster, das einzige Fenster in der Wand, oben rechts, hoch über der Tür.
    »Ich verstehe es nicht, keiner von meinen Söhnen hat je geheiratet. Die sind immer nur bei uns gewesen. Manchmal denke ich, Teresa hat sie mit geriebenen Fingernägeln oder Haarspitzen in einem Trank verhext, damit sie keine anderen Frauen außer ihr angucken mögen.«
    Er strich sich nachdenklich über die Stirn.
    »Ich stehe also vor dem Haus, und die lassen mich nicht rein. Stühle und anderer Kram, zerschmettert zu Kleinholz, lagen schon auf der Mole. Die haben einfach alles aus dem Fenster runtergeworfen. Der Tisch passte da aber nicht hindurch, das wusste ich. Hier...«, er zeigte auf den Boden ein Stück vor uns, »... da sieht man es noch, ganz schwarz. Da haben sie in der Nacht alles verbrannt. Das war dieses Jahr zu San Giovanni. Da hat meine Grazia noch gelebt.« Er bekreuzigte sich wieder und schaute von mir weg, aufs Meer.
    Ich fröstelte trotz des warmen Windes, als ich den verfärbten Kreis auf den Steinen ansah. Wir schwiegen. Über uns kreischte eine fette Möwe. Sie segelte über den Himmel, ohne mit den Flügeln zu schlagen. Nach einer Weile drehte sie ab.

    Leicht strich ich über seinen Arm. »Und wie hast du den Tisch nun gerettet?«
    »Ich hab dem Antonio den Einstieg hier unten gezeigt und gesagt, da wäre was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher