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Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Gerit Bertram
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lief. Martins Augen waren von einem tiefen Grün, und wenn sie sich im Schutz der Nacht heimlich trafen, um sich wenigstens für einige gestohlene Momente nahe zu sein, schimmerten goldene Lichtpunkte darin. Sie waren füreinander bestimmt, das wusste Anna genau.
    Im letzten Augenblick wich sie einem Haufen Pferdemist aus, und sie bedauerte einmal mehr, keine Trippen zu besitzen, um ihre Schuhe vor dem Schmutz zu schützten, der die Gassen bedeckte. Bald konnte sie in der Ferne die Buden und Stände der Marktleute ausmachen. Der wolkenlose Himmel, über den ein Schwarm Krähen zog, täuschte, denn der Wind war eisig kalt an diesem Novembertag. Anna schlug die Kapuze hoch und betrat den gepflasterten Platz, auf dem unzählige Händler ihre Waren feilboten. Sie sog die Luft ein, die von den Gerüchen der Gewürze und Spezereien erfüllt war. Suchend ließ sie den Blick über die Stände schweifen, bis sie an der Gestalt eines jungen Mannes hängen blieb, der gerade einer Frau ein Kleidungsstück zeigte. Martin. Er hatte Anna noch nicht bemerkt, deshalb schlenderte sie weiter, auf einen passenden Moment wartend, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Zeit verstrich quälend langsam, und als endlich alle Kunden den Stand verlassen hatten und auch von ihrem Onkel weit und breit nichts zu sehen war, trat sie auf Martin zu.
    » Ich warte hinter der Lorenzkirche auf dich « , sagte sie mit gesenkter Stimme und tat, als interessierte sie sich für ein Kleid, das ausgebreitet vor ihr lag. » Ich muss dich sprechen. «
    » Ich bin ohnehin fast fertig « , antwortete er mit einem Zwinkern.
    Anna nickte nur, denn um Martins Lächeln zu erwidern, fehlte ihr die Kraft. » Bis nachher. «
    Sie schritt weiter, verließ den Marktplatz und begab sich in Richtung St. Lorenz. Der Treffpunkt war etwas ungünstig gewählt, denn sie musste an Onkel Geralds Geschäftshaus am Anfang der Findelgasse vorbei, um zur Kirche zu gelangen. Als sie das mehrstöckige Gebäude erreichte, in dem auch Martin lebte, spähte sie durch eines der Fenster ins Innere, doch der Onkel war in ein angeregtes Gespräch mit einer Ordensfrau verwickelt. Eilig ging sie weiter und betrat den Platz, von dessen Mitte sich das Schiff und die Türme der Lorenzkirche in den herbstlichen Himmel erhoben. Im Schatten einiger Bäume, die das mächtige Gotteshaus säumten, blieb sie stehen. Der Wind riss an ihrem Umhang und an der Kapuze, während sie von einem Fuß auf den anderen trat.
    Wenig später fielen die beiden sich in die Arme.
    In Martins Augen trat ein heller, warmer Schimmer. Er beugte sich zu ihr herunter, denn er überragte Anna um Haupteslänge.
    » Fühlst du dich nicht wohl, Anna? Du siehst aus, als hättest du die letzte Nacht kein Auge zugetan. Was ist geschehen? «
    » Mama « , stammelte sie, » man hat sie heute Morgen nach St. Lienhard gebracht. Gestern bekam sie plötzlich hohes Fieber und Schüttelfrost. Der Pestarzt war bei uns, er meinte, dies könnten erste Anzeichen der Seuche sein, nun ist sie dort, wo Aussätzige und Pestkranke vor sich hin siechen. «
    » Um Himmels willen! « Martin zog sie erneut an sich. » Wie furchtbar! Weiß Vater schon davon? Ich habe ihn heute noch nicht gesehen, er muss vor Sonnenaufgang fortgegangen sein. «
    » Ja, er war heute Morgen ganz früh bei uns und hat mit dem Medicus, Sebastian und mir gesprochen. Als letzter Verwandter fühlt er sich für uns verantwortlich und wird uns in sein Haus aufnehmen. «
    » Dann lass uns dafür beten, dass Tante Fronica rasch wieder gesund wird und nicht wie die anderen … « Er sah an ihr vorbei, doch in seiner Miene erkannte sie, wie die Trauer um diejenigen Mitglieder ihrer Familie, die jämmerlich an der Pestilenz zugrunde gegangen waren, wieder in ihm aufflammte.
    Anna wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, denn für den Verlust, der sich tief in ihre Seele gegraben hatte, war ohnehin jedes Wort zu gering.
    » Ich habe Angst, Martin. « Nur ihm vertraute sie ihre geheimsten Gefühle an. Niemand sonst brauchte zu wissen, wie es in ihrem Inneren aussah.
    » Ich weiß, aber vielleicht ist es auch etwas anderes. Tante Fronica ist stark, sie war nie ernstlich krank. Der Verdacht muss sich ja nicht bestätigen, Liebes. Bestimmt wird es ihr in den nächsten Tagen schon besser gehen. « Erneut wollte er sie an sich ziehen, doch Anna wies ihn energisch von sich.
    » Du … du solltest mich besser nicht mehr berühren, Martin. Wer weiß, ob nicht auch ich … «
    Er hielt einen
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