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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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ihren Kopf und betrat den Nachen. Mit ihr auf der Fähre fuhren einige Handwerker, die sie mit einem Nicken grüßte. Die Männer mit ihren Kiepen auf dem Rücken erwiderten ihren Gruß nicht, sondern schauten unangenehm berührt in die andere Richtung. Nur Rixa, das Weib des Honigsammlers Jorgen, lächelte sie an und erkundigte sich nach ihrer Großmutter Enna.
    »Sie hat das Reißen in den Knochen, aber jetzt, wo es wärmer wird, geht es ihr wieder besser«, erzählte Myntha der krummrückigen Frau. Die schlug ihr vor: »Kannst ja mal die aal Sybilla aufsuchen, drüben in Merheim. Die hat Salben, die die Knochen wärmen.« Und dann senkte sie die Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern: »Aber frag nicht zu genau nach, woher sie das Fett hat.«
    »Von Schweinen, Rixa. Ich kenne die Sybilla. Aber ich habe auch eine gute Tinktur aus der Apotheke am Neuen Markt bekommen. Die hat der Großmutter einige Erleichterung verschafft. Wie läuft das Geschäft? Honig hast du in den Fässchen da nicht drin.«
    Myntha wollte nicht weiter über die Leiden ihrer Großmutter und irgendwelche quacksalberischen Vorschläge reden, und Rixa war leicht abzulenken.
    »Nein, die Bienen fliegen noch nicht. Wir haben Harz gesammelt, gutes, feines Wacholderharz. Verkaufen wir an den Turm. Die Wachen verwenden es für ihre Waffen, gibt gutes Geld dafür.«
    »Und du bekommst einen neuen Kittel?«
    Rixa lachte und entblößte eine Zahnlücke.
    »Der hier tut’s noch. Die Wolle hab ich selbst gesponnen und gewebt. Aber ein gutes Essen im ›Adler‹, das wird’s geben. Und, was treibt dich in die Gassen?«
    Es waren natürlich nicht nur die städtischen Vergnügen, die Myntha suchte. Sie hatte auch einige ernsthafte Aufträge zu erledigen. Heute beispielsweise ging es darum, einige Fässer Wein zu ordern. Das erzählte sie Rixa auch, und darüber kamen sie an der Landestelle am Niehler Ufer an.
    Rixa schulterte die Kiepe wieder, und sie und Myntha warteten, bis alle Fährgäste an Land waren. Dann stellten sie sich neben Mynthas Bruder Haro. Er überragte sie um mehr als Kopfeslänge, und in seinem dichten Vollbart schien ein Lächeln auf. Er zupfte ihr den Schleier vom Gesicht und meinte: »Bleibt beide auf dem Nachen. Wir treideln ein Stück stromaufwärts, das schont eure Füße.«
    Myntha hatte damit gerechnet, denn damit die Fähre auf dem Rückweg von der Strömung flussabwärts nach Mülheim getragen wurde, musste eines der starken Zugpferde sie ein Stück am Ufer entlang ziehen. Heute machte ihr Bruder Witold den Treideldienst. Rixa nickte, dankbar dafür, dass auch sie auf dem Nachen bleiben durfte. Während sie langsam dahinglitten, meinte Haro zu seiner Schwester. »Schau, ob Frau Alyss wieder ein hübsches Maidchen beherbergt, Myntha. Es wird Zeit, dass Witold sich ein Weib nimmt.«
    »Ach, der Witold? Und du?«
    »Na, wenn’s zweie sind, nehm ich auch eins.«
    »Wenn ich nicht dem Jorgen sein Weib wär, tät ich dich nehmen«, kicherte Rixa.
    »Dann werd ich mal sehen, ob der Jorgen nicht das nächste Mal mitten auf dem Rhein von einer Nixe ins Wasser gezogen wird«, unkte Haro.
    Rixa, ein schlichtes Gemüt, lachte schallend und hieb ihm auf den Rücken. Haro musste sich an der Ruderpinne festhalten, um nicht selbst ins Wasser zu fallen.
    Sie erreichten nach kurzer Zeit die zweite Anlegestelle, und Haro verabschiedete sich von ihnen.
    »Dann macht euch mal auf den Weg. Myntha, zieh die Fahne hoch, wenn du wieder rüber willst!«
    »Am Nachmittag. Das Essen in Frau Alyss’ Hauswesen werde ich mir nicht entgehen lassen.«
    Rixa und sie gingen an Land und machten sich am Ufer entlang auf den Weg in die Stadt.
    »Ich wünschte, meine Brüder würden sich wirklich bald dazu entschließen, zu heiraten«, murrte Myntha.
    »Sind zwei stramme Burschen. Um die müssten die Weibchen sich doch reißen.«
    »Pah. Sowie eine junge Frau ihren Blick auf sie wirft, werden sie rot, beginnen zu stammeln, treteln mit den Füßen und suchen schnellstmöglich das Weite. Das sind Kerle wie Baumstämme, aber so was von schüchtern.«
    »Was für ein Jammer. Hilft wohl nur beten.«
    »Oder ein Holzhammer.«
    Eine Weile schwatzten sie gemächlich über dieses und jenes, dann erreichten sie die Stadtmauer, und am Kunibertstor verabschiedete Rixa sich, um dem Turmmeister ihre Ware anzubieten. Myntha wanderte weiter durch die Gassen.
    Auf dem Weg zu Frau Alyss, der Weinhändlerin in der Witschgasse, lag die Dombaustelle, an der sie mit immerwährendem
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