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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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Haus derer vom Spiegel lag am Alter Markt, eben um die Ecke von Groß Sankt Martin. Fest auf Myntha gestützt wanderte Frau Almut den kurzen Weg, schweigend zunächst, doch kurz vor der Eingangstür murmelte sie: »Er hat gesagt, er wartet.«
    Es gab nicht viel zu überlegen, was die wohledle Dame damit meinte.
    »Der Herr vom Spiegel.«
    »Ivo, ja.« Und dann huschte ein geisterhaftes Lächeln über Frau Almuts Gesicht. »Geduld war nicht seine höchste Tugend.«
    »So hörte man gelegentlich.«
    Die wohledle Dame kicherte.
    »Klopft an die Tür, Kind. Man wird sich um mich kümmern wollen. Sie sind alle so fürsorglich geworden die letzten Monate.«
    So war es auch. Kaum hatte Myntha den Klopfer einmal bewegt, wurde die Tür auch schon aufgerissen, und eine füllige Matrone streckte ihre Arme nach Frau Almut aus. Die aber wehrte sie sacht ab und wandte sich noch einmal Myntha zu.
    »›Ich sehe jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.‹«
    Wieder lächelte sie, und ihr Gesicht wirkte wie verklärt. »Er hat seinen Paulus gerne zitiert.« Sinnend blinzelte sie in die Sonne. »Mit Paulus’ Worten auf den Lippen schied er aus dieser Welt.«
    Frau Almut wurde von der Matrone ins Haus geführt, die Tür fiel zu.
    Und Myntha flüsterte: »›Die Liebe hört niemals auf.‹«
    Dann eilte sie zur Witschgasse.

2. Kapitel
    U m die Mittagszeit des nächsten Tages ergriff Frederic Bowman die Zügel seines Reitpferds und die Lenkleine des Packtiers, um beide von dem Niederländer ans Ufer zu führen. Hinter ihm folgte Emery mit dem Pony, das gutmütig über die Planke trottete. Es war ein hübsches Tier, hellbraun mit einer noch helleren Mähne und Schweif, sanft im Gang und von heiterem Gemüt. Dem zehnjährigen Jungen folgte es aufs Wort, aber Fremden gegenüber war es zurückhaltend. Maldwyn, unerschrockener Freund, hatte Emery das Pferdchen genannt.
    »Das ist die Kathedrale, von der du mir erzählt hast, Vater?«
    »Ja, das wird einmal der Dom sein.«
    Frederic schaute ebenso wie sein Sohn hoch zu dem Turmstumpf, auf dem der Kran stand. Der Turm war gewachsen, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Vierzehn Jahre war das nun her, und doch waren ihm der Geruch der Stadt, die Sprache der Menschen und der Anblick der Stapelhäuser am Ufer sofort wieder vertraut.
    Sein Pferd schnaubte leise, als er es zum Trankgassentor führte. Es war vermutlich ebenso glücklich wie er, wieder auf festem Boden zu stehen. Etliche Wochen lang hatten sie Schiffsplanken unter den Füßen gehabt, und die Fahrt von Kings Lynn durch die Nordsee war streckenweise recht stürmisch gewesen. Der April mit seinen Frühlingsstürmen war nicht der rechte Monat zum Reisen, aber es war notwendig gewesen, und so hatte er die Zähne zusammengebissen, um seinem Sohn ein Vorbild zu sein. Der Arme war mager geworden, das Salzfleisch und das harte Brot – ihre hauptsächliche Nahrung während der Reise – waren selten lange genug in ihm drin geblieben. Erst als sie Deventer erreicht hatten und dort im Hause des Tuchhändlers Robert van Doorne Rast machen konnten, hatten sie sich beide etwas erholt. Frau Catrin hatte sie mit allen Leckerbissen verwöhnt, die Markt und Speisekammer hergaben, und hätte sie auch gerne noch länger bei sich beherbergt. Frederic zog es jedoch weiter, und so hatten sie zwei Tage später das nächste Schiff bestiegen. Immerhin war der Rhein ein ruhigeres Gewässer, und eine Woche später nun waren sie am Ziel angekommen.
    Am Kai lagen zwei weitere Schiffe, die eben entladen wurden, und Emery war stehen geblieben, um den Männern im Rad des Tretkrans zuzusehen, die mit großem Geschick Tuchballen vom Deck eines zweiten Niederländers hoben. Ein Wagen stand bereit, auf dem sich bereits mehrere Ballen stapelten, und eine helle Frauenstimme gab Anweisungen, wie das nächste Gebinde darauf zu packen sei.
    »Du wirst noch häufiger zusehen können, Emery. Aber jetzt wollen wir einen Boten zu Master Johns Heim schicken.«
    Der Junge war bekümmert, aber daran konnte Frederic nun nichts ändern. Besser bekümmert als tot. Er legte seine Hand auf dessen magere Schulter und drückte sie sacht.
    »Du weißt, was du zu tun hast, mein Sohn?«
    »Ja, Vater.«
    Ein Botenjunge wurde herbeigepfiffen und trabte mit der Meldung los, Emery Friederson sei am Trankgassentor eingetroffen.
    »Es wird gleich jemand aus dem Hauswesen
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