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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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damaligen Zeit noch nicht genannt) und Apotheker wussten um die Wirkung des Amanita muscaria. Eine geringe Dosis verursacht freundliche Träume, oft vom Schweben, wirkt stimmungsaufhellend oder hat eine aphrodisierende Wirkung. Eine größere Menge aber führt zu Identitäts- und Wirklichkeitsverlust.
    Der Fliegenpilz hat jedoch seinen Namen auch daher bekommen, weil man aus ihm ein Ungeziefervernichtungsmittel herstellte, indem man Pilzstücke in gesüßte Milch einlegte. Die Fliegen, die davon naschten, fielen nach dem Genuss um.
    In diesem Roman wird getrockneter Fliegenpilz zur Ruhigstellung einer Gefangenen verwendet. Das mag sich modern anhören, dürfte aber dem mittelalterlichen Kenntnisstand der Pharmazie durchaus entsprochen haben.
    Trinken Sie zu der Lektüre also, wenn Sie ein Genussmittel zu sich nehmen möchten, lieber Tee oder Most oder ein kleines Glas Wein oder Bier, statt an getrockneten Fliegenpilzhäppchen zu knabbern.

Prolog
    »Ich will sie aber zur Ostermesse zurückhaben!«, schniefte Luitgard und stampfte mit dem Fuß auf.
    »Hör auf, dich wie ein trotziges Gör zu benehmen«, blaffte ihr Gatte sie an.
    »Aber was sollen denn die Leute denken?«, maulte die stämmige Winzersfrau weiter.
    »Die wissen, dass uns der Weingarten halb abgebrannt ist und ich kein Geld hab. Du wirst ohne Glitzerkram deine Gebete verrichten. Den Herrn wird’s nicht stören.«
    Luitgard sandte ihrem Mann einen bösen Blick unter tränennassen Wimpern und wandte sich abrupt ab, um wütend die verschütteten Körner aus der Küche zu fegen. Der Kerl war ene solche Klotzkopp! Der verstand gar nichts. Man schmückte sich doch nicht wegen der Gebete, verdamp!, sondern um den Nachbarn zu zeigen, was man besaß. Und mehr als ein halbes Jahr war das kostbare Familienerbstück jetzt schon beim Pfandleiher. Klar – der Franz musste es ja beleihen, nachdem die letzte Ernte draufgegangen war. Neue Weinstöcke bekam man nicht um Gotteslohn. Aber wenigstens für die Feiertage könnte er die Fibel wieder auslösen. Wo sie doch noch nicht mal ein neues Kleid zu Ostern bekommen hatte. Grummelnd schwang sie den Besen, und Staubwolken wallten durch die offene Tür. Die Ernte war so schlecht nicht gewesen, er sollte sehen, dass er die paar Fässer zu einem ordentlichen Preis verkauft bekam. Aber nein, er wurzelte jeden Tag im Weingarten herum und kümmerte sich nicht darum, das Gesöff unter die Leute zu bringen.
    Ihre Älteste, eine energische Dreijährige, lief quengelnd hinter Hanna, der Tagelöhnerin her, die sich bei ihnen als Magd verdingt hatte. Luitgard wandte sich ab und grollte weiter.
    Sie würde ja selbst mit dem Wein auf den Markt ziehen, aber die drei Blagen hingen ihr am Kittel. Franz hatte ihr verboten, die Geschäfte in die Hand zu nehmen. Dabei gab es eine ganze Reihe Frauen, die Weinhandel betrieben.
    Luitgard stützte sich auf den Stiel des Reisigbesens.
    Ein kleiner Faden begann sich zu spinnen.
    Eine Weinhändlerin in Köln – Alyss vom Spiegel. Von ihr hatte sie in den letzten Tagen einiges gehört. Und zwar Unfassbares.
    Vor drei Jahren hatte Frau Alyss sie aus ihrem Haus in der Witschgasse geworfen. Weil sie ihr die Schuld daran gab, dass ihr Sohn ertrunken war. Eine Weile hatte Luitgard deshalb sogar ein schlechtes Gewissen gehabt. Eine Amme durfte nicht nachlässig sein. Aber jetzt? Hanna, die Tagelöhnerin, hatte ihr etwas anvertraut, das ein völlig anderes Licht auf die Sache warf.
    Und mit dieser Erkenntnis, dachte Luitgard zufrieden, würde sie ein hübsches Sümmchen erzielen. Und mit diesem Sümmchen konnte sie die Fibel auslösen. Am Ostertag würde das Sonnenlicht die geschliffenen Rheinkiesel an ihrer Schulter wieder zum Funkeln bringen.
    Und die Nachbarn würden endlich wissen, dass sie nicht mehr knapsen mussten.
    Vielleicht war auch noch ein neues Gewand mit drin.
    Ein prächtiger Plan.
    Luitgard summte beim Fegen zufrieden vor sich hin.

1. Kapitel
    A lyss kennzeichnete die Weinfässchen, die an die Wirtsleute vom »Adler« ausgeliefert werden sollten, mit einem Kreidevogel, diejenigen, die der Turmwächter bestellt hatte, mit einem Turm. Peer, der Handelsknecht, konnte nicht lesen, aber sie hatten ein System von Zeichen vereinbart, sodass die Kunden immer die richtigen Fässer erhielten. Ein schrilles Keifen aus Mädchenkehlen lenkte sie von ihrem Tun ab, und sie drehte sich um.
    Auf dem Hof stand Lore, breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, die roten Haare wild gesträubt, ihre
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