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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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in die Küche gepoltert.
    »Habt Mitleid mit dem Elend«, rief er und lächelte in die Runde. »Den ganzen Tag habe ich geschuftet und keinen Krumen Brot bekommen. Ich flehe Euch an, werte Dame, gebt einem Verhungernden Nahrung.«
    »Lauryn, eine weitere Portion Fisch, Quark und Brot! Frieder, Becher und Most! Lucien, rück ein Stück zur Seite!«
    Merten, der Stiefsohn ihres verstorbenen Gatten, genoss Gastrecht in Alyss’ Haus, auch wenn nicht jeder den geckenhaft gekleideten jungen Mann mochte. Sie hatte lange Jahre ein gewisses Mitleid mit ihm gehabt. Früh hatte er den leiblichen Vater, dann die Mutter verloren, war bei einer zänkischen Großmutter aufgewachsen und hatte kein Handwerk und keinen Handel gelernt. Sie war nachsichtig gewesen, doch dann hatte Arndt ihr Vermögen vergeudet, und sie hatte Merten nicht mehr unterstützen können. Seither hatte er einen Teil seines lustigen Lebenswandels aufgegeben und sich um einige ihrer Kunden gekümmert. So weit, so gut, doch seit dem letzten Herbst hatte er begonnen, ihr den Hof zu machen, und das war ihr mehr als unangenehm.
    Auch jetzt warf er ihr heimliche Blicke zu, die selbstredend nicht unbemerkt blieben. Lucien stupste seine Schwester Denise an und verkündete in deutlich hörbarem Geflüster: » Vois comme il bave. Il veut à sa chemise .«
    » Lucien, tais-toi!« , raunzte Robert ihn an.
    Der zog nur laut die Nase hoch und erhielt von Hilda, die hinter ihm am Herd werkelte, eine kräftige Kopfnuss.
    »Au!«
    »Benimm dich, Junge. Und kein welsches Zeug mehr.«
    »Isch nix kann Kölsch.«
    »Dann lernst du es. Robert, kannst du uns einen Lehrer für Denise und Lucien finden? Unter den Händlern wird doch sicher der eine oder andere sein, der beide Sprachen beherrscht und einen harten Stock zu führen weiß.«
    »Ich höre mich um. Den harten Stock allerdings weiß ich auch zu führen.«
    Denise flüsterte jetzt auf ihren Bruder ein, der ein immer düstereres Gesicht zog. Alyss hatte den Verdacht, dass das Mädchen weit mehr verstand als er. Der Rest des Abendmahls verlief friedlich, und als schließlich der Tisch abgeräumt war, fragte Catrin Alyss leise: »Was hat er gesagt?«
    »Dass Merten geifert und an meinen Kittel will.«
    »Da hat er wohl leider recht, der kleine Unhold.«

2. Kapitel
    M arian trottete die Stiege zum Schlafraum des Gasthauses hoch. Ihm war kalt, er war müde, und seine Schulter schmerzte, weil ein ungebärdiges Maultier der Meinung gewesen war, dass er die Schuld an dem trüben Regenwetter trug. Der Biss ging zwar nicht tief, aber er war sicher, dass er einen prächtigen blauen Fleck hinterlassen hatte. In seinem Beutel würde er einen Topf mit Arnikasalbe finden und sich verarzten, bevor er sich zum Schlafen niederlegte.
    Bett – je nun. Fünf breite Betten standen Seite an Seite in dem muffigen Raum unter dem Dach, drei davon waren bereits belegt, und sonores Schnarchen dröhnte aus ihnen. Im flackernden Schein der Tranlampe wühlte er in seinem Gepäck und stellte missmutig fest, dass sein kostbarer Vorrat an Heilsalbe beinahe erschöpft war. Mit einem leisen Stöhnen zog er die feuchten Lederstiefel aus, schälte sich aus den Kleidern und betrachtete seine malträtierte Schulter. Schwärzlich schimmerte die Haut, und mit zusammengebissenen Zähnen behandelte er die wunde Stelle. Dann legte er sein Untergewand wieder an und kroch unter die schäbige Decke.
    Zwei Wochen noch – mehr oder weniger, dann würde er wieder zu Hause sein.
    Reisen war anstrengend, vor allem so früh im Jahr. Aber trotz aller Widrigkeiten war Marian nicht unzufrieden. Die Zeit in Venedig war erfolgreich gewesen, die Handelsgeschäfte blühten, und in den Ballen und Gebinden, die seine Gesellschaft mit sich führte, befanden sich vielfältige Waren, die er mit großem Gewinn zu veräußern gedachte. So hatte er prunkvolle Seiden aus dem Morgenland erstanden, Spezereien aus den Ländern jenseits des mittelländischen Meeres, feinstes Papier aus der Lombardei und vor allem Glaswaren aus Venedig. Die bunten Perlen würden die Herzen der Frauen höher schlagen lassen.
    Vermutlich auch das seiner Zwillingsschwester Alyss.
    Aber als er die Kostbarkeiten aussuchte, war es Gislindis gewesen, die seine Hand geführt hatte.
    Marian lächelte im Dunklen. Die Tochter des Messerschleifers schlich sich oft in seine Gedanken. Sie war eine weise Frau und klug obendrein. Sie war auch ein schönes Weib, mutig und treu. Er hatte einst mit ihr getändelt, müßig und ohne
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