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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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Absicht. Dann aber hatte er gemerkt, dass er sich in ihrer Gegenwart glücklicher fühlte und die Wunden in seinem Gemüt allmählich aufhörten, ihn zu bedrücken. Bei seiner letzten Reise in den Süden hatte eine junge Frau sein Herz erobert, doch sie war gestorben und hatte eine Leere hinterlassen, die kaum zu ertragen gewesen war. Heute jedoch fragte er sich, ob sie wirklich glücklich mit ihm geworden wäre, ein Kind südlicher Sonne – konnte man es wie ein Zitronenbäumchen in den Norden verpflanzen? Und schließlich gestand er sich ein, dass er sich nun nach Gislindis sehnte, nach ihrer Freundschaft, ihrem Witz und ihren süßen Küssen.
    Sie war von niederem Stand, die Tochter einer Fahrenden und eines wolfsrachigen Messerschleifers, und in den Augen der Welt würde er nur ein ungesegnetes Verhältnis mit ihr eingehen können. Das aber wollte er ihr nicht antun.
    Sechs Monate war er nun unterwegs, und während dieser Zeit hatte er Pläne geschmiedet. Pläne, die möglicherweise nicht einfach auszuführen waren, aber wenn die passenden Umstände zusammenkamen, würde er Gislindis eines Tages doch als sein Weib heimführen.
    Vorsichtig drehte Marian sich auf die Seite seiner gesunden Schulter. Sein eigenes Bett hatte eine weiche Matratze aus Daunen, die Decke war flauschig gefüllt und aus feinstem Leinen. Hier stach ihm hartes Stroh durch das löchrige Laken in die Hüften, und das Kopfpolster strömte den knoblauchartigen Geruch von jenen aus, die vor ihm auf diesem Lager übernachtet hatten. Ein weiterer Gast betrat den Raum, rülpste, ließ seine Stiefel zu Boden poltern und sank schwer auf die andere Seite des Bettes. Bierdunst umgab ihn, und er zerrte an der Decke. Marian musste sich einen kurzen, heftigen Kampf mit ihm liefern, aber dann war der Kerl eingeschlafen, und er rettete seinen Anteil an der Decke.
    Der Schlummer blieb ihm fern, aber damit fand Marian sich ab. Es gab Dinge, über die er nur des Nachts nachdenken konnte, den Tag über musste er beständig sein Augenmerk auf die Mitglieder seiner Reisegruppe lenken, musste das Umladen der Fracht beaufsichtigen, mit den Karrenführern und Schiffseignern handeln, Obdach für seine Männer suchen und die Wegstrecken festlegen. Bis Straßburg waren sie nun gekommen, ohne dass es nennenswerte Verluste gegeben hatte. Ab morgen würde es leichter werden, die Fracht würde auf einen Oberländer verladen und stromabwärts Richtung Köln verschifft werden. Die Ostertage wollten sie in Speyer verbringen. Dort hatte das Handelshaus derer vom Spiegel eine Niederlassung, und die drei Tage Ruhe würden ihnen allen guttun.
    Es war richtig, dass er sich endlich entschieden hatte, die Nachfolge seines Vaters in den Handelsgeschäften anzutreten, befand Marian. Auch wenn die ärztliche Heilkunst noch immer einen gewissen Reiz auf ihn ausübte. Vor zwei Jahren, nach dieser entsetzlichen Spanienfahrt, als er und sein Tross überfallen worden waren, er seine Geliebte verloren hatte und dabei selbst schwer verwundet worden war, hatte er geschworen, Köln nie wieder zu verlassen. Stattdessen wollte er lernen, wie man Kranke und Verletzte heilt – und eigentlich hatte er den vermessenen Wunsch gehegt, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Er hatte die Hebammenkunst gelernt – verbotenerweise, denn Männern war diese Tätigkeit nicht erlaubt. Er hatte das Knocheneinrenken vom Meister Hans, dem Henker, beigebracht bekommen, und die Apotheker Trine und Jan hatten ihm die Geheimnisse der Heilkräuter und Gifte enthüllt. Und bis vor Kurzem war er sogar dem Bader Pitter zur Hand gegangen, wenn es um blutige Operationen ging. Die theoria der Medizin hatte er in den Folianten der Universität und in der Infirmerie des Klosters zu ergründen versucht, aber die praktische Seite hatte ihn immer weit mehr fasziniert. Sofern sie nicht mit Schmerzen verbunden war.
    Und das war schließlich auch ein Grund für ihn, dem Studium der Heilkunst zu entsagen. Seine dumme, lästige Gabe, die Schmerzen seiner Patienten erspüren zu können, half ihm zwar, die Krankheit zu erkennen, aber die Behandlung, vor allem wenn es um Knochenrichten und Schneiden ging, fiel ihm schwer. Also hatte er für sich entschieden, dass er helfen würde, wenn man ihn darum bat, aber als Beruf würde er die Heilkunst nicht ausüben.
    Immerhin, diese Reise hatte ihm in Venedig einige interessante Gespräche beschert. Ein jüdischer Arzt und ein arabischer Kollege hatten sich an seinen Kenntnissen und Ideen erfreut
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