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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen
Autoren: Val McDermid
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sich den Weg durch obszöne Telefonanrufe. Damit hatte sie die Männer am Angelhaken, konnte sich darauf verlassen, daß ihr schäbigen geilen Kerle anonymem Sex nicht zu widerstehen vermögt.«
    Tony zuckte zusammen. »Zu meiner Verteidigung möchte ich betonen, daß ein Großteil meines Interesses rein wissenschaftlich war. Mir ging es um die Psyche der Frauen, die freiwillig so was machten.«
    Carol lächelte verkrampft. »Zumindest weiß ich jetzt, daß Sie nicht gelogen haben, als Sie behaupteten, die Frau nicht zu kennen, die da diese sexy Nachricht auf Ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte.«
    Tony schaute zur Seite. »Die Entdeckung, daß ein Mann, den Sie mochten, Spaß an abartigem Telefonsex mit einer fremden Frau hat, kann nicht sehr erfreulich für Sie gewesen sein.«
    Carol erwiderte nichts darauf, da sie nicht wußte, was sie sagen sollte. »Ich habe mir alle Kassetten inzwischen angehört«, fuhr sie fort. »Ihre unterscheiden sich ganz erheblich von den anderen. Es war Ihnen offensichtlich häufig sehr unangenehm. Nicht, daß mich das was angeht …«
    Tony konnte ihr zwar immer noch nicht in die Augen sehen, aber er hatte sich entschlossen, zu reden. »Ich habe ein sexuelles Problem. Um es deutlich zu sagen, ich habe Probleme, Erektionen zu bekommen oder durchzuhalten. Und um ehrlich zu sein, ich habe die Anrufe nur zu einem Teil mit professionellem Interesse betrachtet. Zum anderen Teil habe ich versucht, sie als eine Art Therapie zu nutzen. Ich weiß, das läßt mich wie einen Perversen klingen, aber das Problem in meinem Beruf ist, daß es praktisch unmöglich ist, einen Therapeuten zu finden, den ich respektieren und dem ich vertrauen kann und der nicht in irgendeiner Weise mit der Welt verbunden ist, in der ich arbeite. Wie oft man auch immer das Prinzip der ärztlichen Schweigepflicht betont, ich habe stets gezögert, mich dem Risiko auszusetzen, daß sie nicht eingehalten wird.«
    Carol erkannte, wie schwer es Tony gefallen war, dieses Geständnis zu machen, und sie legte ihre Hand auf seine. »Ich danke Ihnen, daß Sie mir das gesagt haben. Ich werde es natürlich für mich behalten. Und Sie sollen auch wissen, daß die einzigen, die die Kassetten in vollem Umfang abgehört haben, John Brandon und ich sind. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, daß bei der Polizei hinter Ihrem Rücken rumgetuschelt wird.«
    »Wenigstens das. Okay, fahren Sie fort. Erzählen Sie mir von Angelicas Anrufen bei den anderen Opfern.«
    »Ganz offensichtlich dachten die Männer, es handle sich dabei um Sex ohne jede Verpflichtung oder längere Dauer. Angelicas Auslegung aber war entschieden anders. Sie war überzeugt, die Reaktion der Männer bedeute, daß sie sich in sie verliebt hätten. Zu ihrem Unglück entschieden sich die Männer jedoch nicht für sie. Und in dem Moment, in dem sie Interesse für andere Frauen zeigten, unterschrieben sie ihr eigenes Todesurteil – bis auf Damien Connolly. Ihn hat sie getötet, um uns eine Lektion zu erteilen. Und Sie wären die zweite Lektion gewesen.«
    Ein Schauder befiel Tony. »Kein Wunder, daß sie für die Operation zur Geschlechtsumwandlung ins Ausland gehen mußte.«
    »Die Psychologen vom Nationalen Gesundheitsdienst haben offensichtlich entschieden, sie sei wegen des Mangels an Einsicht in ihre Sexualität kein geeigneter Kandidat für eine Geschlechtsumwandlung. Sie kamen zu dem Schluß, sie sei ein schwuler Mann, der sich mit seiner Sexualität wegen seines sozialen und familiären Umfelds nicht abfinden könne. Statt einer Geschlechtsumwandlung empfahlen sie eine psychologische Behandlung durch einen Sexualtherapeuten. Es kam damals zu einer häßlichen Szene. Er – sie – schleuderte einen der Psychologen durch eine Glastür.«
    »Ein Jammer, daß man deshalb keine Anklage gegen sie erhoben hat«, sagte Tony.
    »Ja. Und Sie werden froh sein, zu hören, daß man gegen Sie definitiv keine Anklage wegen Angelicas Tod erheben wird.«
    »Das will ich aber auch meinen! Denken Sie nur, wie ich schon erwähnt habe, an das viele Geld, das ich dem Steuerzahler erspart habe. Wir sollten das bei einem Dinner feiern, wenn ich hier rauskomme, meinen Sie nicht auch?« fragte er vorsichtig.
    »Das wäre schön. Und noch etwas Erfreuliches kann ich Ihnen berichten«, sagte Carol.
    »So? Was denn?«
    »Penny Burgess hatte sich gestern frei genommen, um eine Wanderung in den Dales zu machen. Anscheinend hatte sie mitten im Wald eine Autopanne und mußte dort
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