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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen
Autoren: Val McDermid
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über eine Hypothek zu stoßen, irgend etwas, das auf einen weiteren Besitz hinwies. Merrick hatte sich die Akten vorgenommen, die sich auf Thorpes Geschlechtsumwandlung bezogen. Brandon hatte schon einmal einen falschen Alarm ausgelöst, als er einige Briefe eines Anwalts entdeckt hatte, bei denen es um einen Besitz in Seaford ging. Es hatte sich jedoch bald herausgestellt, daß sie sich auf den Verkauf des Hauses von Thorpes verstorbener Mutter in dieser Stadt bezogen.
    Merrick fand schließlich die Lösung des Rätsels. Er war mit der Akte »Geschlechtsumwandlung« fertig und hatte sich einem Stapel von Briefen zugewandt, die unter »Steuern« abgelegt waren. Als er auf den Brief stieß, mußte er ihn zweimal lesen, um sicher zu sein, daß ihn Wunschdenken nicht dazu verführte, sich irgendwas einzubilden.
    »Sir«, sagte er vorsichtig, »ich glaube, ich habe gefunden, wonach wir suchen.«
    Er gab Brandon den Brief, dessen Aufmerksamkeit sich zunächst auf den Briefkopf richtete. Das Schreiben kam von der Anwaltskanzlei Pennant, Taylor, Bailey & Co. und lautete: »Sehr geehrter Herr Christopher Thorpe, wir haben ein Schreiben von Ihrer Tante, Mrs.Doris Makins, derzeit in Neuseeland, erhalten, in dem wir autorisiert werden, Ihnen die Schlüssel zur Start Hill Farm, Upper Tontine Moor bei Bradfield, W. Yorkshire, auszuhändigen. Als Rechtsvertreter Ihrer Tante sind wir ermächtigt, Ihnen den Zugang zu o.a. Besitz zum Zwecke der Instandhaltung und Sicherung zu gestatten. Bitte verabreden Sie nach Ihrem Gutdünken einen Termin mit unserem Büro, zu dem Sie die Schlüssel abholen wollen …«
    »Zugang zu einem abgelegenen ländlichen Besitz«, sagte Carol, die über Brandons Schulter geschaut hatte. »Tony meinte, so was könnte der Mörder zur Verfügung haben. Und jetzt hat sie ihn dort.« Eine Welle der Wut durchflutete sie und verdrängte das bohrende Glimmen der Angst, das sie von dem Moment an befallen hatte, als sie die makabren Geheimnisse dieses äußerlich so normalen Büroraums aufgedeckt hatten.
    Brandon schloß einen Moment die Augen, dann sagte er: »Wir wissen es nicht mit Bestimmtheit, Carol.«
    »Und selbst wenn sie ihn in den Krallen hat, er ist ein verdammt cleverer Bursche«, meinte Merrick. »Wenn einer mit seiner Schnauze Schwierigkeiten von sich fernhalten kann, dann Tony Hill.«
    »Wir sollten jetzt endlich etwas tun«, sagte Carol scharf. »Wo zum Teufel liegt diese Start Hill Farm? Und wie kommen wir am schnellsten dorthin?«
     
    Tony sah sich verzweifelt um. Die Messer hingen links über ihm an der Wand, fast unerreichbar hoch. Als Angelica auf die Knie kam, klammerte er sich an die Steinbank und zog sich hoch. In dem Moment, als sie sich taumelnd aufrichtete und sich auf ihn stürzte, immer noch brüllend wie eine Kuh, der man ihr Kalb weggenommen hat, schloß sich seine Hand um den Schaft eines Messers.
    Ihr Gewicht und die Wucht des Anpralls drückten Tony rückwärts auf die Bank. Ihre Hände umklammerten seinen Hals und drückten ihm die Luft ab. Grelle Lichter tanzten vor seinen Augen. Als er schon meinte, es nicht länger aushalten zu können, spürte er den warmen, klebrigen Schwall ihres Bluts auf seinem Bauch, und Angelicas Griff um seinen Hals wurde immer schlaffer.
    Noch ehe er das alles richtig aufnehmen konnte, polterten Schritte die Steintreppe herunter. Wie in der wirren Vision von einem paradiesischen Racheengel sah er Don Merrick und dicht dahinter John Brandon, dessen Kiefer beim Anblick des Bilds, das sich ihm bot, nach unten klappte.
    »Um Gottes willen!« stieß er aus.
    Carol drängte sich an den beiden vorbei und starrte verständnislos auf das Blutbad vor sich.
    »Sie haben sich verdammt viel Zeit gelassen«, keuchte Tony. Das letzte, was er hörte, ehe ihm die Sinne schwanden, war sein eigenes hysterisches Lachen.

[home]
Epilog
    C arol stieß die Tür des Krankenzimmers auf. Tony lag, gestützt von einem Stapel Kissen, im Bett. Seine linke Gesichtshälfte war angeschwollen und mit blauen Flecken bedeckt.
    »Hallo«, sagte Tony mit einem schwachen Lächeln; mehr brachte er ohne erhebliche Schmerzen nicht zustande.
    Carol schloß die Tür hinter sich und setzte sich auf den Stuhl vor dem Bett. »Ich habe Ihnen ein paar Kleinigkeiten mitgebracht.« Sie legte eine Plastiktüte und einen gefütterten Umschlag auf die Bettdecke.
    Tony griff nach der Tüte, und Carol zuckte zusammen, als sie die Quetschungen um seine entzündeten Handgelenke sah. Er nahm eine Ausgabe
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