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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege
Autoren: Ricarda Martin
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sich«, forderte sie Susan auf. »Ich hoffe, das Bad und der Imbiss haben Sie etwas aufgewärmt.«
    Susan nickte. »Ja, danke, Lady Callington, auch für das Kleid, es ist wunderschön.«
    »Ach, das ist ein uraltes, ich trage es schon lange nicht mehr.« Lavinia winkte ab. »Wie ich höre, hat das Hausmädchen Sie über meine Person aufgeklärt. Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit, mich Ihnen bisher nicht vorgestellt zu haben. Nachdem Sie jetzt wissen, wer ich bin, darf ich Sie wohl um Ihren Namen bitten?«
    Susan runzelte über die hochtrabende Ausdrucksweise die Stirn. Sie war einen solchen Umgangston nicht gewohnt und wollte jetzt nur noch so schnell wie möglich nach Hause.
    »Ich heiße Susan Hexton und lebe im Stadtviertel Lambeth, südlich der Themse.«
    Bei der Erwähnung des Flusses verzog Lavinia unwillig das Gesicht. Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern, obwohl sie allein im Zimmer waren.
    »Es ist nicht nötig, dass irgendjemand erfährt, was sich vorhin … zugetragen hat. Dem Mädchen habe ich gesagt, ich wäre bei einem Spaziergang im Hyde Park ausgeglitten und in die Serpentine gefallen. Sie sind zufällig vorbeigekommen und waren mir behilflich.«
    »Ein Spaziergang im Park bei diesem Nebel?«, entfuhr es Susan skeptisch. »Ist das nicht sehr unwahrscheinlich?« Da sich Lavinias Gesicht verschloss, zuckte Susan mit den Schultern und fuhr fort: »Nun, mir soll es gleich sein, ich möchte jetzt nach Hause.«
    Sie wollte aufstehen, aber Lavinia gebot ihr mit einer Handbewegung, sitzen zu bleiben.
    »Ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass ich Ihnen zu großem Dank verpflichtet bin. Mein Verhalten … vorhin … es war dumm. Sie haben recht, es ist feige, aus dem Leben zu scheiden, statt sich seinen Problemen zu stellen.« Lavinia lächelte, aber es war ein bitteres Lächeln. Sie machte eine raumgreifende Handbewegung. »Ich werde lernen, ohne all dies hier zu leben, wenngleich ich jetzt noch nicht weiß, wie ich das bewerkstelligen soll.«
    Obwohl alles in Susan nach Hause zu ihrem Sohn drängte, war ihr Interesse nun doch geweckt.
    »Sind Sie etwa pleite?« An Lavinias Zusammenzucken merkte Susan, wie taktlos ihre Frage war. »Entschuldigung, das geht mich zwar nichts an, aber …«
    Lavinia unterbrach sie mit einem Seufzer, der aus ihrer tiefsten Seele zu kommen schien.
    »Warum sollte ich es Ihnen nicht erzählen? Da Sie mir das Leben gerettet haben und wir beide uns nie wieder begegnen werden, tut es mir vielleicht gut, mit jemandem über meine Sorgen zu sprechen. Nein,
pleite
, wie Sie es nennen, sind wir nicht. Vielmehr mein Mann ist es nicht, im Gegenteil, in der Familie der Tredarys gab es niemals finanzielle Schwierigkeiten. Genau das ist jedoch mein Problem. Mein Mann braucht einen Erben, der die Familientradition fortsetzt, und heute habe ich erfahren, dass ich niemals ein Kind bekommen kann.«
    Susan war von Lavinias Offenheit beschämt, aber auch beeindruckt. Lediglich der traurige Ausdruck in ihren Augen sagte ihr, wie sehr Lavinia unter dieser Erkenntnis litt.
    »Das tut mir leid für Sie, Mylady, wenn Ihr Mann Sie jedoch liebt, dann …«
    »Das tut er eben nicht!« Schrill, mit einem Anflug von Hysterie, schnitt Lavinia Susan das Wort ab. »Mein Ehemann ist über zwanzig Jahre älter als ich, und wir heirateten, weil meine Eltern die Verbindung als eine gute Partie ansahen. Unsere Vermählung hatte nichts mit Liebe zu tun, außerdem galt ich bereits als spätes Mädchen, da ich mit dreiundzwanzig Jahren noch ledig war. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, Edward zu respektieren und zu schätzen, wenn auch nicht zu lieben. Er hat mir jedoch unmissverständlich klargemacht, dass er nicht mehr lange auf Nachwuchs warten möchte, dafür sei er zu alt. Entweder schenke ich ihm binnen eines Jahres einen Sohn, oder er trennt sich von mir.«
    Susan lachte laut heraus, schlug sich aber sofort die Hand auf den Mund.
    »Verzeihen Sie, Mylady, aber das hört sich sehr unwahrscheinlich an. Früher haben Könige ihren Frauen den Kopf abschlagen lassen, wenn diese ihnen kein Kind schenkten, heute jedoch ist das doch kein Trennungsgrund mehr. Außerdem ist Ihr Mann doch nicht so etwas wie ein König.«
    »Ich verstehe, dass Ihnen dies lächerlich erscheinen muss. Sie haben jedoch keine Ahnung von den Konventionen, die in unseren Kreisen herrschen.« Lavinia hob in einer hilflosen Geste die Hände, und Susan konnte sich eines Anflugs von Mitleid nicht erwehren, das stärker wurde, als Lavinia
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