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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne
Autoren: Thomas Jeier
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und diesen ungezügelten Willen aus. »Sie wird eine starke Frau«, sagten die anderen über sie, »sie hat die magischen Kräfte der Geister und wird uns eine gute Medizinfrau sein. Behandelt sie gut, Hügelleute!«
    Büffelhöcker trank von dem frischen Tee, den Weidenfrau aus roten Blättern gebraut hatte. Er saß gegen seine Rückenstütze aus Rippenknochen gelehnt und genoss die ruhige Stunde vor der Dämmerung. »Büffelfrau ist ein gutes Mädchen«, sagte er, »ich bin sehr stolz auf sie.«
    »Ich weiß«, sagte Weidenfrau. Sie stand am Feuer und rührte in einem Topf mit Antilopenfleisch, Wurzeln und frischen Beeren. »Ich verstehe, dass ein tapferer Krieger wie du sich darüber freut. Aber ich mache mir Sorgen. Unsere Tochter sollte mit Puppen spielen und mir beim Kochen helfen. Sie sollte mit den anderen Mädchen in den Wald gehen und Beeren sammeln. Stattdessen übt sie mit dem Bogen, den du ihr geschenkt hast. Sie benimmt sich wie ein Junge und tobt herum.«
    Weidenfrau hatte recht. Ihre Tochter spielte fast jeden Tag mit den Jungen und machte sogar bei den Ringkämpfen mit. Sie ging mit ihrem kleinen Bogen in den Wald und zielte auf Baumstämme. Dieser Sport war eigentlich den Jungen vorbehalten, die schon im Kindesalter den erfahrenen Kriegern nacheiferten, aber Büffelfrau hatte mit Puppen und kleinen Wiegen aus Weidenholz nie viel im Sinn gehabt und fühlte sich bei den Jungen, die Weißer Biber, Roter Mond und Kleiner Falke heißen würden, viel wohler. Sie sprach oft davon, mit ihnen auf den Kriegspfad zu gehen, wenn sie einmal groß war.
    Büffelhöcker nickte seiner zweiten Frau zu, die mit Holz beladen in das Tipi kam. Weidenfrau und Windfrau kamen gut miteinander aus und waren selten eifersüchtig aufeinander. Sie waren Schwestern und kannten einander zu gut. Weidenfrau war jünger und stillte die Leidenschaft des starken Kriegers. Sie bestieg ihn fast jede Nacht und würde ihm noch viele Kinder schenken. Windfrau konnte keine Kinder bekommen und hatte keinen Spaß daran, mit ihrem Mann unter die Felle zu kriechen. Sie war ihm eine gute Freundin, und sie war sehr praktisch veranlagt und kümmerte sich vor allem um den Haushalt.
    »Büffelfrau ist ein schönes Mädchen«, erwiderte der Häuptling, »und ich merke, dass ihr die Jungen schon jetzt bewundernde Blicke zuwerfen. Noch vier, fünf Winter, und sie wird sich einem tapferen Mann hingeben. Das weiß ich, Weidenfrau.«
    »Kann sie denn alles gleichzeitig sein?«, fragte die jüngere der beiden Ehefrauen. »Medizinfrau? Kriegerin? Ehefrau?«
    »Wer sagt denn, dass sie Kriegerin wird?«, erwiderte Büffelhöcker erstaunt. »Die Prophezeiung sagt nur, dass sie die Nachfolge von Sieht-hinter-die-Berge antreten wird.«
    »Ich spüre es, mein Mann.«
    »Und wenn«, erwiderte Büffelhöcker. Ihm war der Gedanke gar nicht so unangenehm. »Es hat immer wieder Frauen gegeben, die für unser Volk in den Krieg gezogen sind. Erinnerst du dich an Sonnenfrau? Sie hat meinen Vater auf einem Kriegszug gegen die Ho-he begleitet und ist im Kampf gestorben.«
    »Du hast oft davon erzählt«, bestätigte Weidenfrau. »Ich wurde damals gerade geboren. Aber sie war keine Medizinfrau, und soweit ich weiß, war sie niemals verheiratet.«
    »Unsere Tochter ist etwas Besonderes«, beendete Büffelhöcker die Unterhaltung, »sie hat die magische Kraft.«
    Seit jenem Tag, als sie den Büffelbullen mit der Kraft ihres Geistes aufgehalten hatte, war es zu keinem Zwischenfall mehr gekommen. Büffelfrau war lebhaft und energiegeladen, und sie spielte am liebsten mit den Jungen, aber sonst war sie ein ganz normales Kind. Wenn es donnerte und blitzte, weinte sie, und wenn die Sonne schien, tollte sie im Fluss oder im See herum. Sie hatte dieselben Rechte und Pflichten wie alle Kinder und lernte, die Erwachsenen zu respektieren. Sie blieb ruhig sitzen oder verließ das Tipi, wenn Krieger zu Besuch kamen und mit ihrem Vater die Pfeife rauchten, und sie rollte sich erstaunt in ihre Felle, wenn ihr Vater und ihre Mutter laut wurden und sich wie Tiere benahmen.
    Büffelhöcker und Weidenfrau liebten sich jede Nacht, aber es hatte sich kein weiterer Nachwuchs eingestellt. Einmal war die Monatsblutung ausgeblieben, und sie hatten schon gehofft, dass sie jetzt endlich schwanger war, aber die Blutungen hatten sich nur verspätet, und alle Hoffnung war umsonst gewesen. Einige Zeit nach der Geburt ihrer Tochter war die junge Ehefrau zu Sieht-hinter-die-Berge gegangen und hatte dem alten
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