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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Autoren: M. L. Stedman
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aus dem Boden, die nicht vom Verlust sprachen, sondern davon, was damit erreicht worden und wie wundervoll es sei, gesiegt zu haben. »Siegreich und tot«, murrten einige, »ist ein erbärmlicher Sieg.«
    Ohne Männer war die Stadt so voller Löcher wie ein Schweizer Käse. Und dabei war keiner von ihnen eingezogen worden. Niemand hatte sie gezwungen zu kämpfen.
    Doch den grausamsten Scherz erlaubte sich das Schicksal mit denen, die als »Glückspilze« bezeichnet wurden, weil sie überhaupt wieder nach Hause gekommen waren. Nach Hause zu den für die Willkommensfeier herausgeputzten Kindern und dem Hund, der zur Feier des Tages eine Schleife am Halsband trug. Der Hund bemerkte normalerweise als Erster, dass etwas nicht stimmte. Nicht nur, dass dem Mann ein Auge oder ein Bein fehlte, sondern dass er eigentlich nicht anwesend war. Er war, obwohl körperlich präsent, auf dem Schlachtfeld geblieben. Billy Wishart aus Sadler’s Mill zum Beispiel – drei kleine Kinder und eine Ehefrau, wie ein Mann sie sich nur wünschen kann. In einen Gasangriff geraten, und jetzt kann er keinen Löffel mehr halten, ohne dass er wackelt wie ein Häcksler, sodass die Suppe überall herumspritzt. Außerdem zittert er so, dass er mit seinen Knöpfen nicht mehr zurechtkommt. Wenn er nachts mit seiner Frau allein ist, zieht er sich nicht aus, sondern rollt sich nur weinend auf dem Bett zusammen. Oder der junge Sam Dowsett, der die erste Landung in Gallipoli überlebt hat, nur um in Bullecourt beide Arme und die Hälfte seines Gesichts zu verlieren. Seine verwitwete Mutter sitzt die ganze Nacht wach da und fragt sich, wer ihren kleinen Jungen pflegen soll, wenn sie einmal nicht mehr ist. Schließlich wäre kein Mädchen im ganzen Bezirk so dumm, ihn jetzt noch zu nehmen. Löcher in einem Schweizer Käse. Etwas fehlt.
    Lange Zeit trugen die Menschen die verdatterten Mienen von Teilnehmern an einem Spiel zur Schau, dessen Regeln plötzlich geändert worden waren. Sie gaben sich große Mühe, Trost in dem Umstand zu finden, dass der Tod ihrer Jungen nicht umsonst, sondern Teil eines gewaltigen Ringens für die richtige Sache gewesen war. Hin und wieder konnten sie das sogar glauben und den zornigen, verzweifelten Schrei hinunterschlucken, der in ihren Kehlen aufsteigen wollte wie Futter aus dem Schnabel eines Muttervogels.
    Nach dem Krieg versuchten die Leute, Nachsicht mit den Männern zu haben, die nun ein wenig zu große Freude an einem Glas zu viel oder einer Schlägerei hatten oder keinen Arbeitsplatz länger als ein paar Tage halten konnten. Bald liefen die Geschäfte in der Stadt wieder wie gewohnt. Kelly war immer noch Inhaber des Lebensmittelladens. Die Metzgerei gehörte immer noch dem alten Len Bradshaw, obwohl es Len junior offenbar kaum erwarten konnte, das Geschäft zu übernehmen. Das erkannte man daran, wie er an der Theke seinen Vater unnötig beiseiteschob, wenn er sich vorbeugte, um nach einem Kotelett oder einer Schweinebacke zu greifen. Mrs. Inkpen – die keinen Vornamen zu haben schien, obwohl ihre Schwester sie unter vier Augen Popsy nannte – übernahm die Hufschmiede, als ihr Mann Mack nicht aus Gallipoli zurückkehrte. Sie hatte ein Gesicht so hart wie die Eisen, mit denen ihre Angestellten die Pferdehufe beschlugen, und auch das passende Herz dazu. Sie beschäftigte Hünen von Männern, doch es hieß immer nur: »Ja, Mrs. Inkpen. Nein, Mrs. Inkpen. Drei Säcke voll, Mrs. Inkpen«, obwohl jeder von ihnen sie mühelos mit einem Finger hätte hochheben können.
    Die Leute wussten, wer anschreiben lassen durfte und wer sofort bezahlen musste. Sie wussten, wem man glauben konnte, wenn er Ware zurückbrachte und sein Geld wiederhaben wollte. Mouchemore’s Kurzwaren und Stoffe machte die besten Geschäfte an Weihnachten und Ostern, obwohl sich kurz vor dem Winter das Strickgarn glänzend verkaufte. Auch unaussprechliche Dinge für die Dame gingen gut. Larry Mouchemore tätschelte seinen spitzen Schnurrbart, wenn er Menschen verbesserte, die seinen Namen falsch aussprachen – »wie move , nicht wie mouse « – und beobachtete zornig und empört, wie Mrs. Turkle sich anschickte, gleich nebenan ein Pelzgeschäft zu eröffnen. Pelze? In Point Partageuse? So ein hanebüchener Unsinn! Als der Laden ein halbes Jahr später schloss, lächelte er nachsichtig, erbot sich, als »Akt der Nachbarschaftshilfe«, den restlichen Warenbestand aufzukaufen, und veräußerte ihn mit großem Gewinn an den Kapitän eines Dampfers
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