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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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transparent wie Glas zu machen.
    Vitali sah auf den ersten Blick, dass er der Älteste hier war. Womöglich war er sogar der letzte Überlebende der alten Zeit. Dieser Gedanke verschaffte ihm eine gewisse Genugtuung.
    Und wirklich waren seit dem Start der ersten Molnija – der Satelliten mit dem Namen ›Blitz‹ – im Jahr 1965 schon siebzig Jahre vergangen. Die Ereignisse waren in Vitalis Bewusstsein noch so präsent, als seien erst siebzig Tage vergangen, seit die Armee junger Wissenschaftler, Raketeningenieure, Techniker, Arbeiter, Köche, Zimmerleute und Maurer in diese öde Steppe gekommen war. Das mit wenig mehr als Engagement und Korolevs Genie gerüstete Personal hatte in Hütten und Zelten gehaust, abwechselnd geschwitzt und gefroren und gleichzeitig die ersten Raumschiffe der Menschheit gebaut und gestartet.
    Die Konstruktion der Molnija-Satelliten war genial gewesen. Korolevs große Booster waren nicht in der Lage gewesen, einen Satelliten in den geostationären Orbit zu befördern, wo er in sechsunddreißig Kilometern Höhe immer über demselben Punkt der Erdoberfläche geschwebt hätte. Stattdessen schickte Korolev seine Satelliten auf elliptische Acht-Stunden-Trajektorien. Mit solchen sorgfältig gewählten Orbits vermochten drei Molnijas den größten Teil der Sowjetunion abzudecken. Für Jahrzehnte hatten die UdSSR und dann Russland Konstellationen von Molnijas in den exzentrischen Orbits gehalten und damit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhalt des weiten Landes gewährleistet.
    Vitali betrachtete die Molnija- Kommunikationssatelliten als Korolevs größte Errungenschaft. Sie übertraf sogar die konstruktiven Leistungen, die den Start von Robotern und Menschen ins All ermöglicht hatten, die Landung von Sonden auf Mars und Venus und den um ein Haar gewonnenen Wettlauf mit den Amerikanern zum Mond.
    Nun bestand wohl kein Bedarf mehr für diese wundervollen Vögel.
    Der Startturm rollte zurück, und die letzten Stromkabel fielen wie sich windende schwarze Schlangen herunter. Die schlanke Form des Boosters wurde enthüllt: Ein ›fliegender Bleistift‹ mit der barocken Verrippung, die typisch war für Korolevs alte, wundervolle und absolut zuverlässige Konstruktionen. Obwohl die Sonne im Zenit stand, wurde die Rakete in brillantes Kunstlicht getaucht und von Dampf umwabert, den die kryogenen Brennstofftanks ausdünsteten.
    Tri… Dva… Odin… Zaiiganie!
    Zündung…
     
    Als Kate Manzoni sich dem OurWorld- Werksgelände näherte, fragte sie sich, ob sie das Privileg einer Dame, sich zu verspäten, etwas überreizt hatte. Sie hatte ihr Erscheinen bei diesem spektakulären Ereignis hinausgezögert, um den Anblick des Himmels über dem Staat Washington zu genießen, der von Hiram Pattersons ›Lichtorgel‹ in ein prächtiges Lichtermeer verwandelt wurde.
    Kleine Flugzeuge kreuzten am Himmel und versprühten eine Staubwolke – bestimmt umweltverträglich –, auf die Laser virtuelle Bilder einer sich drehenden Erdkugel zeichneten. Alle paar Sekunden wurde die Kugel durchsichtig und präsentierte das im Kern eingebettete OurWorld- Firmenlogo. Das alles war schön kitschig und nur dazu angetan, die natürliche Schönheit des weiten, klaren Nachthimmels zu beeinträchtigen.
    Sie machte das Fahrzeugdach transparent, und Nachtbilder zogen durch ihr Blickfeld.
    Eine Drohne, bei der es sich um die Nachbildung einer langsam rotierenden Erdkugel handelte, hing über dem Wagen. »Diese Richtung, Ms. Manzoni«, sagte sie mit ruhiger synthetischer Stimme, bar jeder Gefühlsregung.
    »Einen Moment«, erwiderte sie und flüsterte: »Suchmaschine – Spiegel.«
    Ein Selbstbildnis kristallisierte in der Mitte des Blickfelds und überlagerte wie ein Vexierbild die sich drehende Drohne. Sie überprüfte den Sitz des Kleids vorn und hinten und aktivierte die programmierbaren Tattoos, die ihre Schultern verzierten. Das Bild, das aus den Daten der Fahrzeug-Kameras synthetisiert und auf ihre Netzhaut-Implantate projiziert wurde, war etwas körnig und zerfiel in Pixelpakete, wenn sie sich ruckartig bewegte. Diese Beschränkung, die ihr durch die altmodische Sinnesorgan-Implantations-Technologie auferlegt wurde, nahm sie jedoch in Kauf. Lieber war sie etwas benommen, als dass sie irgendeinem CNS-Verstärkungs-Chirurgen erlaubt hätte, mit seinen verdammten Griffeln ihren Kopf zu öffnen.
    Als sie fertig war, löschte sie das Bild und stieg so damenhaft aus dem Wagen, wie ihr das mit dem allzu eng
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