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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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sitzenden Kleid eben möglich war.
    Das OurWorld- Werksgelände war als Schachbrettmuster angelegt, wobei die ›Felder‹ jeweils aus dreistöckigen Bürogebäuden und akkuraten Rasenstücken bestanden. Die massiven blauen Glaskästen erhoben sich auf dünnen Stelzen aus Stahlbeton und muteten irgendwie kopflastig an. Das hübsch hässliche Ensemble verkörperte die Unternehmensphilosophie der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Erdgeschosse der Gebäude waren jeweils als Parkflächen ausgewiesen. Auf einem dieser Stellplätze stand jetzt auch ihr Wagen.
    Sie reihte sich in eine Schlange vor der Cafeteria auf dem Werksgelände ein. Drohnen schwebten über den Köpfen der Leute.
    Die Cafeteria war ein Prachtbau, ein spektakulärer mehrgeschossiger Glaszylinder, der um ein angeblich echtes graffitiverziertes Stück der Berliner Mauer herumgebaut worden war. Kurioserweise floss ein Bach, der von kleinen Steinbrücken überwölbt wurde, mitten durch die Halle. An diesem Abend tummelten sich vielleicht tausend Gäste auf dem Glasboden. Das ständige Kommen und Gehen verursachte in der Halle eine laute Geräuschkulisse.
    Köpfe drehten sich in ihre Richtung, wobei auf manchen Gesichtern ein Ausdruck des Erkennens erschien, während andere – Männer und Frauen gleichermaßen – sie mit unverhohlener Lüsternheit anstarrten.
    Ihr Blick schweifte über die Gesichter, wobei sie laufend vom Schock des Wiedererkennens überwältigt wurde. Sie sah Präsidenten, Diktatoren, Adlige, Industriekapitäne und Finanzmagnaten sowie Prominenz aus Politik, Musikgeschäft und Medien. Präsidentin Juarez entdeckte sie nicht, aber ein paar Mitglieder ihres Kabinetts waren anwesend. Hiram hatte anlässlich seines neuesten Spektakels eine illustre Gesellschaft versammelt, das musste sie ihm lassen.
    Sie wusste natürlich auch, dass sie die Einladung nicht nur ihrem journalistischen Talent und ihrer gepflegten Konversation verdankte, sondern auch ihrer Schönheit und dem Bekanntheitsgrad, den sie durch die Entdeckung des Wurmwalds erlangt hatte. Und diesen Prominentenstatus, den sie seit ihrem großen Durchbruch genoss, hatte sie auch schon weidlich ausgenutzt.
    Drohnen schwebten in der Luft und servierten Kanapees und Drinks. Sie gönnte sich einen Cocktail. Einige Drohnen übertrugen Bilder von Hirams TV-Kanälen, die in der allgemeinen Aufregung weitgehend ignoriert wurden. Das galt sogar für die spektakulärsten Aufnahmen – so wurde zum Beispiel das Bild einer Rakete direkt vor dem Start übertragen, offensichtlich von einer staubigen Steppe irgendwo in Asien. Sie musste sich freilich eingestehen, dass der kumulative Effekt dieser technologischen Gimmicks beeindruckend war und Hirams Verkündung zu untermauern schien, dass OurWorld eine globale Informations-Offensive plante.
    Sie näherte sich einer größeren Gruppe in der Nähe und versuchte herauszufinden, wer oder was im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Schließlich machte sie einen schlanken jungen Mann mit dunklem Haar, einem Schnauzer und einer runden Brille aus, der eine limonengrüne Fantasie-Uniform mit scharlachroten Winkeln trug. Er schien ein Musikinstrument aus Messing zu halten, vielleicht ein Euphonium. Sie identifizierte ihn natürlich und verlor im selben Moment das Interesse an ihm. Nur ein Virtueller. Gleichgültig ließ sie den Blick über die Menge schweifen, die sich um ihn herum versammelt hatte und mit kindlicher Faszination dieses Simulacrum einer lange toten, wie ein Heiliger verehrten Berühmtheit angaffte.
    Ein älterer Mann musterte sie etwas zu eingehend. Er hatte seltsame Augen, deren fahle graue Farbe unnatürlich wirkte. Sie fragte sich, ob er etwa im Besitz der neuen Netzhaut-Implantate war, die mit Millimeter-Wellenlängen arbeiteten, Textilien durchsichtig machten und den Träger angeblich in die Lage versetzten, durch Kleidung hindurchzusehen. Er machte zögernd einen Schritt auf sie zu, wobei orthotische Hilfen, seine unsichtbare Gehmaschine, angestrengt surrten.
    Kate wandte sich ab.
    »… das ist leider nur ein Virtueller. Damit meine ich unseren jungen Sergeant dort drüben und seine drei Kameraden, die über den Raum verteilt sind. Nicht einmal meinem Vater mit seinem überragenden Intellekt ist es bisher gelungen, Tote zum Leben zu erwecken. Aber das wussten Sie natürlich schon.«
    Beim Klang der Stimme schreckte sie auf. Sie drehte sich um und schaute ins Gesicht eines jungen Mannes: vielleicht fünfundzwanzig,
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