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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
Autoren: Cyrus Darbandi
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interessiert dich gar nicht. Warum verstellst du dich immer noch? Ich bin mein Leben lang solchen wie dir begegnet. Ich kenne alle eure Lügen.«
    Sein Vater drehte sein Gesicht zur Seite – getroffen von der Wirkung jedes Wortes.
    Robert sagte: »Eigentlich wollen wir nur eines von dir wissen. Was wusste Mutter von deinen Taten?«
    »Was erwartest du denn, das ich sage, Robert?«
    »Zur Abwechslung mal die Wahrheit.«Sie traten hinaus auf den Gang, atmeten beide tief durch. Verließen das Gebäude, hatten auf dem Parkplatz endlich Zeit für eine Zigarette.
    »Glaubst du ihm?«
    Robert zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß es immer noch nicht. Ich weiß auch nicht, ob das, was in dem Brief von Lohmann steht, stimmt. Die einzige Person, die mir sagen könnte, was stimmt, ist Mutter, und sie ist tot. Und dennoch … ich danke dir dafür, dass du mir den Brief gezeigt hast.«
    Viel später brachte Abraham Robert und Selina zum Flughafen Tegel.
    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee von dir ist, Nagy das Geld zurückzubringen«, sagte Robert.
    »Er wird mir nichts tun, so dumm ist er nicht. Aber er wird nach dir suchen.«
    »Vielleicht auch nicht. Ich werde ihm nicht ans Bein pinkeln. Nicht, wenn ich nicht muss.«
    »Das werde ich ihm ausrichten.«
    Abraham blickte zu Selina, die am Gate stand. Sie wirkte gefasst, äußerlich zumindest. Verloren auch, unsicher, was sie erwartete. Ein Felsen, dachte Abraham. Nicht das Schlechteste.
    »Du passt auf sie auf.«
    »Sie wird wohl eher auf mich aufpassen«, sagte Robert. Er dachte wieder an Mikoschs totes Gesicht. Nein, dachte er, du warst nicht dafür gemacht zu fliehen.
    Und er selbst?
    Er wusste, die Zeit würde ihm diese Frage beantworten.
    Sie umarmten einander, wiegten sich im Halt des jeweils anderen.
    »Danke«, sagte Robert aufrichtig.
    »Lass mich nicht wieder eine Ewigkeit auf dich warten«, sagte Abraham.
    »Ich werde dir irgendwann mitteilen, wo wir sind. Und dann kommst du zu mir. Ohne Gespenster im Handgepäck.«
    »Ich liebe dich«, sagte Abraham.
    »Ich weiß«, sagte Robert.
    Beide würden sich erinnern; ihre Erinnerung ließ keinen von ihnen im Stich, sie verfluchte und sie tröstete sie, aber sie verweigerte niemals ihren Dienst.
    Abraham wartete nicht, bis das Flugzeug nach Istanbul abhob. Schon morgen würden Robert und Selina ganz woanders sein.

KAPITEL
ACHTUNDVIERZIG
    Jemand hatte ihm einen Tubus gelegt und einen Schlauch in seine Luftröhre geschoben. Er war an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Grischa fühlte, wie sich seine Brust hob und senkte. Er selbst trug nichts dazu bei, außer zu sterben. Der Mann, der ihn angeschossen hatte, stand mit zwei Ärzten vor seinem Bett. Draußen auf dem Gang saßen zwei zu seiner Bewachung abgestellte Uniformierte. Das ist wirklich nicht mehr nötig, dachte Grischa, aber er war nicht in der Lage, das den anderen mitzuteilen. Sie sprachen über ihn. Er verstand nicht, worüber genau, sein schlechtes Deutsch hatte sich schon einmal vorab von ihm verabschiedet; bald würde der Rest von ihm folgen. Wahrscheinlich sprachen sie über seine Verletzungen, seinen Zustand, die Prognose. Grischa hätte ihnen auf alle drei Punkte eine Antwort geben können: schwer, beschissen, bald tot.
    Er hatte keine Angst.
    Er starb in einem sauberen weißen Bett mit der bestmöglichen medizinischen Versorgung in einem zivilisierten Land, er starb ohne größere Schmerzen, er würde mehr oder weniger sanft weggleiten; was hätte Belenski wohl dafür gegeben?
    Irgendwie nicht fair, dachte er.
    Der Mann beugte sich über ihn. Das war nicht Robert Abraham, aber er sah beinahe genauso aus, vielleicht etwas magerer, hoch aufgeschossen, die Gesichtszüge ähnelten sich, Brüder? Darüber hatte man ihn nicht informiert. War der Mann ein Polizist? Ja, das konnte sein. Deswegen war er auch bewaffnet gewesen. Und so etwas erfahre ich gar nicht, dachte er. Schlampige Arbeit von diesem Arschloch Arschawin. Der wohl auch tot war. Gut so. Solche unfähigen Leute mussten aus dem Verkehr gezogen werden.
    Ein Bulle also.
    Von einem Polizisten erschossen.
    Warum nicht? Besser, als von irgendeinem Halunken überfallen zu werden. Jetzt hatte ein Profi wie er selbst ihn zur Strecke gebracht. Das ging wohl in Ordnung.
    Grischa starb wie ein Soldat. Im Einsatz gefallen.
    Die beiden Ärzte verließen die Intensivstation. Der Polizist sah ihn an. Grischa erwiderte den Blick. Wenn du nach dem Eismann suchst, dachte er, dann suchst du vergeblich. Der Eismann
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