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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder
Autoren: Christa Canetta
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Tieren.“
    „Tut mir leid, dass es so gekommen ist. Das konnte ich nicht wissen.“
    „Ist schon gut, Mr. McDoneral. Sind Sie öfter in den Bergen hinter unserem Dorf?“
    „Hin und wieder, ich habe ein großes Gebiet zu betreuen.“
    „Wenn es Sie nach Broadfield verschlägt, dann würde ich mich freuen, Ihnen zum Dank ein Glas Wein anbieten zu können.“
    „Und wo finde ich Sie?“
    „Bei den Alpakas natürlich. Ich bin übrigens der neue Arzt im Dorf.“
    „Sie sind Arzt?“
    „Ja, ich habe die Praxis meines Vaters übernommen. Die Praxis ist also gleich neben dem Alpakastall.“
    „Ich bin mehr in der Wildnis unterwegs.“
    „Trotzdem, ich lade Sie herzlich ein. Und vielen Dank für Ihre Hilfe heute.“
    Er stieg in seinen Wagen, wartete einen Augenblick, dann fuhr er los. Lena streifte in aller Eile ihren Rock über, stieg ebenfalls ein und folgte ihm. Als sie den Wald verließen, war es dunkel. Schade, dachte Lena, so ein attraktiver Mann und so unhöflich, wer hat ihn bloß so verletzt.
    Sie ahnte nicht, dass dieser attraktive, unhöfliche Mann gleich hinter der nächsten Kurve ausstieg und ihrem Wagen nachblickte.
    Dummes Ding, dachte der Ranger, aber irgendwie bezaubernd. Schade, dass ich nicht aus meiner Haut heraus kann, wenn Frauen im Spiel sind. Die hätte mir gefallen, wenn sie nur nicht so dumm gewesen wäre.
    Patrick hatte keine Erfahrung mit Frauen. Seine von den Gouvernanten und Erziehern einst anerzogene Zurückhaltung duldete keine Gefühlsausbrüche vor anderen Menschen. Seine Internatskameraden und später die Kommilitonen neckten ihn, nannten ihn gehemmt und introvertiert, und er zog sich noch weiter zurück. Er suchte keine Gesellschaft, das Alleinsein war ihm lieber. Dabei fühlte er sich nicht einsam, und ihm fehlte nichts, denn er hatte die Natur, die Tiere in der Wildnis und im Haus, die seinen Lebensrhythmus bestimmten. Dabei war er ein mutiger Mann, jemand, der keine Angst kannte, der beherzt zugreifen konnte und der vielen Menschen, die ihm begegneten, ein Vorbild wurde. Seinen Mitarbeitern, den Kollegen und den Waldarbeitern gegenüber war er aufgeschlossen und ein kompetenter Chef, der gerecht war und von allen respektiert wurde.
    Nachdenklich fuhr er zurück in sein Cottage. Er freute sich auf den Kamin, in dem ein Feuer prasseln und Wärme verbreiten würde, und auf ein Glas Rotwein nach dem Abendessen, das fertig im Kühlschrank war und nur noch aufgewärmt werden musste. Er freute sich auf Shaica, die Hündin, die zu Hause sechs kleine Welpen versorgte. Und er freute sich auf das geruhsame Alleinsein mit einem guten Buch. Bezaubernd oder nicht, überlegte er und dachte kurz an die Fremde im Wald, nichts könnte mir diese Harmonie meines Lebens ersetzen.
    Aber ein Stachel war geblieben, und der störte ihn, immer genau dann, wenn er nicht damit rechnete, wenn er gar nicht daran dachte, dann sah er sie wieder vor sich, wie sie aus dem Wald kam und wie sie sich im Höschen durch das Autofenster zwängte. Sein Rover hatte schließlich einen Rückspiegel.

Kapitel 5
    Lena verbrachte eine unruhige Nacht, nicht zuletzt wegen der Erinnerung an die Irrfahrt am späten Nachmittag.
    Selten habe ich mich so blamiert, dachte sie, dann schlief sie ein. Doch ein Albtraum plagte sie die ganze Nacht: Ein Ungeheuer in Uniform drohte sie übers Knie zu legen und zu verprügeln, und zwei Hunde, die eher Wölfen glichen, knurrten sie mit gefletschten Zähnen und großen, blitzenden Augen an.
    Das kann ja heiter werden, dachte sie, als sie in der Morgendämmerung schließlich aufstand und unter die Dusche ging, um den Albtraum abzuwaschen und wach zu werden.
    Auf Lenas Terminplan für den Beginn ihrer Arbeit in Broadfield stand für diesen Tag das Vorstellungsgespräch beim Bürgermeister, das erstaunlich positiv verlief. Der Bürgermeister, ein dicker alter Herr mit tränenden Augen und einem Kinnbart, begrüßte sie erfreut und hoffnungsvoll. „Wir waren schon sehr besorgt, keinen neuen Arzt zu finden“, erklärte er und drückte ihr dankbar die Hand. „Die jungen Leute mögen die Abgeschiedenheit hier hinter dem Benderloch nicht. Der Einsamkeit kann heutzutage keiner mehr etwas abgewinnen. Ich hoffe, Sie akzeptieren diese Abgeschiedenheit, Sie kennen das Leben hier ja seit Ihrer Kindheit. Und dazu kommt die Weitläufigkeit des Gebietes, in dem Sie arbeiten müssen. Die Dörfer sind hier nicht so geschlossen wie draußen im Flachland, hier liegen die Gehöfte weit verstreut, und viele
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