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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel
Autoren: Kathleen McCleary
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nicht deine Schuld, Susannah!« Lilas Stimme klang bewegt, aber mitfühlend. »Es war nie deine Schuld. Ich habe dir nie, keine Sekunde lang, die Schuld gegeben. Wenn überhaupt, gebe ich mir die Schuld – gab ich mir die Schuld.« Lila atmete tief durch. »Ich habe dich an jenem Tag im Stich gelassen. Und das tut mir leid.«
    »Ich möchte einfach nur verstehen, warum. Denn in letzter Zeit habe ich das Gefühl, ich könnte meine eigenen Kinder, meinen Mann, mich selbst verlieren, weil ich ständig darum kreise. Wenn ich nur verstehen könnte, was du gedacht hast …«
    »Susannah, ich war schwanger. Dein Vater wollte das Baby nicht. Er hatte mir versprochen, er würde das Trinken aufgeben und ein guter Vater, ein guter Ehemann werden, wenn ich das Baby beseitigte.«
    »Schwanger? Du meinst, nach Janie?«
    »Ich meine, ich fand ungefähr einen Monat vor dem Unfall heraus, dass ich schwanger war. Ich hatte nicht schwanger werden wollen. Es war eine schlimme Zeit. Dein Vater trank selbst am Tag, und ihm war mit der Entlassung gedroht worden, wenn er sich nicht in den Griff bekäme. Ich hatte mit einundzwanzig geheiratet und nach dem College nie gearbeitet. Ich hatte drei Kinder. Ich war vierzig . Was sollte ich mit einem weiteren Baby und einem arbeitslosen, alkoholabhängigen Ehemann anfangen?« Ihre Stimme schwankte. »Ich konnte damals nicht mit dir darüber sprechen; ich konnte es nicht. Und als du älter warst … Ich wusste, dass du mich hasst, weil ich es zugelassen hatte, dass er euch mit auf das Boot nahm. Ich wollte dir nicht etwas erzählen, das dich mich noch mehr hassen ließ. Ich wollte es dir eigentlich sagen, ich wusste nur nie, wie. Als du dann deine eigenen Kinder hattest …«
    »Mom, ich hasse dich nicht.« Susannah sagte es automatisch.
    »Ich verüble es dir nicht, dass du wütend auf mich bist. Ich hätte euch nicht gehen lassen sollen. Aber er hatte mit dem Trinken aufgehört. Als er an jenem Tag den Ausflug mit euch machte, hatte er drei Wochen lang nichts mehr getrunken. Ich dachte, er hätte es überwunden. Ich dachte, er würde sein Wort halten. Also hielt ich meins.«
    »Was heißt das?«
    »Ich bin an jenem Tag nicht mit euch aufs Boot gekommen, weil meine Schwester mich zu einer Abtreibung gebracht hat.« Sie räusperte sich. »Wir dachten, dass ihr Kinder, wenn ihr den ganzen Tag auf dem Boot wärt, nicht so viel davon mitbekommen würdet, wenn ich mich an dem Abend nicht gut fühlen würde. Es gab da einen Arzt in Traverse City. – Zumindest war es damals Gott sei Dank legal.«
    »Du meinst …«, fragte Susannah stockend, »du meinst, du hattest an dem Tag, an dem Janie starb, eine Abtreibung?«
    »Ja.«
    Die Antwort versetzte Susannah einen Schlag, der sie in ihren Grundfesten erschütterte..
    »O Gott! Das tut mir leid. Warum hast du mir das nicht vorher erzählt?«
    »Ich wollte dir nicht noch einen Grund geben, auf mich wütend zu sein und zu denken, dass ich versagt hatte.« Lila schwieg eine Weile. Dann sagte sie: »Lange Zeit über glaubte ich, dich und Jon nicht verdient zu haben und nicht eure Mutter sein zu dürfen. Ich dachte, ihr wärt besser dran, wenn ich tot wäre. Ich konnte es in jenem ersten Jahr nach Janies Tod nicht ertragen, als du mir zum Muttertag eine Karte gabst, als wäre ich irgendeine verdienstvolle Mutter. Und der rosa Kranich – erinnerst du dich?«
    Susannah dachte an den Kranich, der zusammengeknüllt im Papierkorb lag. »Natürlich erinnere ich mich daran. Du hast ihn weggeworfen.«
    Lila seufzte: »Es tut mir leid. … Er war schön. Und du warst so unschuldig und hoffnungsvoll. Ich dachte, ich würde das nicht verdienen – diese Unschuld und Hoffnung und Liebe.«
    »Mir geht es genauso«, dachte Susannah. »Das fühle ich auch.«
    »Aber meine Schwester gab nicht auf. Jeden Tag sagte sie zu mir, es sei nicht meine Schuld gewesen. Jeden Tag versicherte sie mir, dass sie mich liebe und bewundere. Sie brachte mich dazu, etwas zu essen. Sie kümmerte sich um euch Kinder. Und sobald euer Vater ging, musste ich mich aufrappeln. Aber ich musste den Rest wegsperren … Wenn ich darüber nachgedacht hätte, wäre ich verrückt geworden. Ich dachte, Gott hätte mich für die Abtreibung damit bestraft, dass er Janie zu sich nahm. Ich hörte auf, in die Kirche zu gehen, weil ich dachte, dass Gott mich selbst da nicht haben wollte.«
    » Mom! «
    »Susannah.« Die Stimme ihrer Mutter war jetzt klar und ruhig. »Ich weiß, dass ich dir dies schon vor Jahren
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