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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier
Autoren: Patricia Cornwell
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belebte.«
    »Haben Sie seither von Jay Talley gehört?« Berger sieht mir in die Augen.
    »Nein.« Zum ersten Mal an diesem langen Tag spüre ich Wut in mir aufsteigen.
    »Was ist mit Bev Kiffin? Haben Sie eine Ahnung, wo sie sein könnte?«
    »Nein. Ich weiß es nicht.«
    »Sie sind also flüchtig. Sie lässt zwei Kinder zurück. Und einen Hund - den Hund der Familie. Den Hund, den Benny so liebte. Der vielleicht der Grund war, warum er nach der Kirche zum Motel ging. Korrigieren Sie mich, wenn mein Gedächtnis mich im Stich lässt. Aber sagte Sonny Kiffin, der Sohn, nicht irgendetwas davon, dass er sich über Benny lustig gemacht habe? Dass Benny, bevor er zur Kirche ging, zu den Kiffins gekommen sei, um zu fragen, ob Mr. Peanut gefunden worden wäre? Dass der Hund, Zitat, schwimmen gegangen sei, und wenn Benny kommen würde, könne er Mr. Peanut sehen? Hat Sonny das nicht Detective Marino erzählt, nachdem Jay Talley und Bev Kiffin versucht hatten, Sie und Ihre Nichte umzubringen, und geflüchtet waren?«
    »Ich weiß nicht aus erster Hand, was Sonny Pete Marino erzählt hat«, erwidere ich - nicht dass Berger wirklich mit eine r Antwort rechnet. Sie will nur, dass die Geschworenen die Frage hören. Mein Blick verschwimmt, als ich an die alte bedauernswerte Hündin denke. Mittlerweile weiß ich, was mit ihr passiert ist. »Der Hund war nicht schwimmen gegangen -zumindest nicht freiwillig -, nicht wahr, Dr. Scarpetta? Haben nicht Sie und Lucy den Hund gefunden, als sie auf dem Campingplatz auf die Polizei warteten?«, fährt Berger fort. »Ja.« Tränen stehen mir in den Augen.
    Mr. Peanut lag hinter dem Motel auf dem Grund des Swimmingpools. An seine Hinterläufe waren Ziegelsteine gebunden. Die Geschworene in dem geblümten Kleid beginnt zu weinen. Eine andere Geschworene schnappt nach Luft und hält sich die Hand vor die Augen. Die Geschworenen tauschen empörte, ja hasserfüllte Blicke aus, und Berger lässt zu, dass sich dieser Augenblick, dieser schmerzhafte, schreckliche Augenblick in die Länge zieht. Das grausame Bild von Mr. Peanut ist so lebhaft und unerträglich, dass Berger es nicht zerstören will. Schweigen.
    »Wie kann man nur so etwas tun!«, ruft die Geschworene in dem geblümten Kleid, als sie ihr Notizbuch zuschlägt und sich die Augen wischt. »Was für schreckliche Menschen!«
    »Solche Monster.«
    »Gott sei Dank, der Herr hat Sie beschützt.« Ein Geschworener schüttelt den Kopf, sein Kommentar galt mir. Berger macht drei Schritte. Ihr Blick schweift über die Geschworenen. Dann sieht sie lange mich an. »Danke, Dr. Scarpetta«, sagt sie leise. »Es gibt wirklich schreckliche Menschen da draußen«, fügt sie noch einmal für die Geschworenen hinzu. »Danke, dass Sie kommen konnten. Wir wissen alle, dass Sie Schmerzen haben und durch die Hölle gegangen sind. So ist es.« Sie blickt zu den Geschworenen. »Durch die Hölle.« Alle nicken.
    »Das stimmt«, sagt die Geschworene in dem geblümten Kleid, als wüsste ich es nicht selbst. »Sie sind durch die Hölle gegangen. Kann ich eine Frage stellen? Wir dürfen doch Fragen stellen, oder?«
    »Bitte«, sagt Berger.
    »Ich weiß, was ich denke«, sagt die Geschworene zu mir. »Aber wissen Sie was? Ich will Ihnen was sagen. Zu meiner Zeit, wenn man da als Kind nicht die Wahrheit sagte, wurde einem der Hintern versohlt, und zwar kräftig.« Sie schiebt das Kinn vor in rechtschaffener Empörung. »Ich habe noch nie von Leuten gehört, die so schreckliche Dinge tun, wie Sie sie hier geschildert haben. Ich glaube, ich werde nie wieder ein Auge zutun können. Das meine ich ernst.«
    »Ich verstehe Sie«, sage ich.
    »Ich will Sie also ganz direkt fragen.« Sie schaut mich an, hält ihr großes grünes Notizbuch fest. »Haben Sie es getan? Haben Sie diese Polizistin umgebracht?«
    »Nein, Ma'am«, sage ich so nachdrücklich, wie ich nie zuvor in meinem Leben etwas gesagt habe. »Ich habe es nicht getan.« Wir warten auf eine Reaktion. Alle sitzen still da, sprechen nicht, stellen keine Fragen. Die Geschworenen sind zufrieden. Jaime Berger geht zu ihrem Tisch und nimmt ihre Unterlagen in die Hand. Sie streicht sie glatt und schiebt sie von sich. Sie wartet eine Weile, bis sie aufblickt. Dann sieht sie jedem Geschworenen ins Gesicht und blickt schließlich zu mir. »Ich habe keine weiteren Fragen«, sagt sie. »Meine Damen und Herren.« Sie stellt sich vor die Geschworenen, beugt sich vor, als würde sie in ein großes Schiff spähen, und tatsächlich
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