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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier
Autoren: Patricia Cornwell
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Gideon Bibel liegt. Sie ist nicht an einer Stelle über Eitelkeit aufgeschlagen. »Ich will nur wissen, ob ich mit dem Mann geschlafen habe, de r Benton umgebracht hat.« Ich sehe Jay an. »Wirst du mich auch umbringen? Nur zu. Aber das hast du bereits, als du Benton ermordet hast. Dann kannst du mich sicher auch zweimal töten, Jay.« Merkwürdigerweise empfinde ich keine Angst, nur Resignation. Ich bange nur um meine Nichte und warte auf den Knall eines Gewehrs. »Kannst du sie nicht in Ruhe lassen?«, frage ich, und Jay weiß, dass ich Lucy meine.
    »Ich habe Benton nicht umgebracht«, sagt er, und er hat das bleiche Gesicht von jemandem, der losgeht, einen Präsidenten zu erschießen. Blass, ausdruckslos, ein Zo mbie. »Carrie und ihr Arschloch von Freund waren es. Ich habe nur angerufen.«
    »Angerufen?«
    »Benton angerufen, um ein Treffen zu vereinbaren. Das war nicht allzu schwer. Ich bin Agent«, erinnert er mich. »Carrie hat alles organisiert. Carrie und das durchgeknallte Narbengesicht, mit dem sie sich zusammengetan hatte.«
    »Du hast ihm also die Falle gestellt«, sage ich. »Wahrscheinlich hast du auch Carrie zur Flucht verholfen.«
    »Sie brauchte nicht viel Hilfe. Nur ein bisschen«, erwidert er tonlos. »Sie war wie viele in dem Geschäft. Sie vergreifen sich an dem beschlagnahmten Zeug und machen sich ihr sowieso schon kaputtes Hirn endgültig kaputt. Hat ihr eigenes Ding lange gehabt. Vor Jahren schon. Wenn ihr das Problem nicht gelöst hättet, hätten wir's getan. Wir konnten sie nicht mehr gebrauchen.«
    »Beteiligt am Familienunternehmen, Jay?« Meine Augen nageln ihn fest. Die Waffe hat er sinken lassen, er lehnt an der Tür. Er hat keine Angst vor mir. Und ich bin wie ein zu stark gespannter Bogen kurz vor dem Reißen. Ich warte, horche auf Geräusche aus dem Nebenzimmer. »Alle diese ermordeten Frauen - mit wie vielen hast du vorher geschlafen? So wie Susan Pless.« Ich schüttle den Kopf. »Ich will nur wissen, ob du Chandonne ausgeholfen hast, oder ist er dir gefolgt und ha t genommen, was übrig war?« Jays Augen sehen mich jetzt schärfer an. Ich habe an die Wahrheit gerührt.
    »Du bist viel zu jung, um Jay Talley zu sein, wer immer das war«, fahre ich fort. »Jay Talley ohne zweiten Vornamen. Und du warst auch nicht in Harvard, und ich bezweifle, dass du jemals in Los Angeles gelebt hast, zumindest nicht als Kind. Er ist dein Bruder, nicht wahr, Jay? Diese schreckliche Missgeburt, die sich Werwolf nennt? Er ist dein Bruder, und eure DNS ist so ähnlich, dass ihr bei einer Routineanalyse als eineiige Zwillinge durchgehen würdet. Wusstest du, dass deine DNS bei einer Routineanalyse mit seiner identisch ist? Wenn man nur vier Allelen vergleicht, seid ihr genau gleich.«
    Wut blitzt auf. Der eitle, schöne Jay möchte nicht wissen, dass seine DNS der DNS von jemandem auch nur ähnlich ist, der so hässlich und widerlich ist wie Jean-Baptiste Chandonne. »Und die Leiche im Container. Du hast dafür gesorgt, dass wir glauben, es wäre der Bruder - Thomas. Auch seine DNS weist viele Gemeinsamkeiten auf, aber nicht so viele wie deine -deine DNS, von der Samenflüssigkeit, die du in Susan Pless' Leiche gelassen hast, bevor sie geschändet wurde. War Thomas ein Verwandter? Und wenn er kein Bruder war? Was dann? Ein Cousin? Hast du auch ihn umgebracht? Hast du ihn in Antwerpen ertränkt, oder war es Jean-Baptiste? Und dann lockst du mich zu Interpol, nicht weil du meine Hilfe brauchst, sondern weil du herausfinden willst, was ich weiß. Du willst dich vergewissern, dass ich nicht weiß, was Benton herauszufinden begann: dass du ein Chandonne bist«, sage ich, und Jay reagiert nicht. »Wahrscheinlich managst du für deinen Vater das Unternehmen, und deswegen bist du zur Polizei gegangen, du bist ein Undercover-Arschloch, ein Spion. Gott weiß, wie viele Geschäfte du umgeleitet hast - du wusstest ja, was die Guten tun, und hast es hinter ihrem Rücken gegen sie verwendet.« Ich schüttle den Kopf. »Lass Lucy gehen«, sage ich. »Ich werde tun, was du willst. Aber lass sie gehen.«
    »Kann ich nicht.« Zu allem anderen, was ich gesagt habe, verliert er kein Wort.
    Jay blickt zur Wand, als könnte er hindurchsehen. Er fragt sich, was nebenan vor sich geht, warum es dort so still ist. Ich werde noch angespannter. Bitte, Gott, bitte, Gott. Oder mach, dass es schnell vorbei ist. Lass sie nicht leiden.
    Jay verriegelt die Tür und hängt die Kette vor. »Zieh dich aus«, sagt er und nennt mich
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