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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier
Autoren: Patricia Cornwell
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dem Jungen. Alle anderen sind ihm gleichgültig, der Junge jedoch nicht. »Wie konntest du daneben stehen und zusehen? Ein Kind? Ein Junge in seinem Sonntagsanzug?«
    Jay holt mit der Hand aus und schlägt mich ins Gesicht. Es geschieht so schnell, dass ich zuerst überhaupt nichts spüre. Mein Mund und meine Nase werden taub und beginnen dann zu brennen, und etwas Nasses tropft herunter. Blut tropft in meinen Schoß. Ich lasse es tropfen und zittere am ganzen Körper, als ich zu Jay hinaufstarre. Jetzt ist es leichter für ihn. Er hat den Prozess in Gang gesetzt. Er stößt mich um und setzt sich auf mich, hält meine Arme mit den Knien fest. Schmerz schießt in meinen heilenden Ellbogen, als er mir die Arme über den Kopf schiebt und versucht, mich mit dem Seil zu fesseln. Die ganz e Zeit über knurrt er etwas über Diane Bray. Er verhöhnt mich, erzählt mir, dass sie Benton kannte, hat mir Benton denn nie erzählt, dass Bray etwas für ihn übrig hatte? Und wenn Benton ein bisschen netter zu ihr gewesen wäre, dann hätte sie ihn vielleicht in Ruhe gelassen. Dann hätte sie vielleicht auch mich in Ruhe gelassen. In meinem Kopf rauscht es. Ich begreife nicht.
    Habe ich denn wirklich geglaubt, dass Benton nur mit mir eine Affäre hatte? Bin ich denn so dumm zu glauben, dass Benton zwar seine Frau betrog, mich aber nie? Wie verdammt blöde bin ich denn? Jay steht auf, um die Heißluftpistole zu holen. Die Leute tun, was sie tun, sagt er. Benton hatte etwas mit Bray in D.C. und als er sie abservierte, und das allerdings ziemlich schnell, wollte sie das nicht auf sich sitzen lassen. Nicht Diane Bray. Jay versucht, mich zu knebeln, und ich werfe den Kopf von einer Seite zur anderen. Meine Nase blutet. Ich werde nicht atmen können. Bray hat Benton erledigt, okay, und nach Richmond wollte sie unter anderem, um auch mein Leben zu zerstören. »Ein ziemlich hoher Preis dafür, dass man ein paar Mal mit jemandem gevögelt hat.« Jay steht vom Bett auf. Er schwitzt, sein Gesicht ist bleich. Ich versuche verzweifelt, durch die Nase zu atmen. Mein Herz hämmert wie eine Maschinenpistole, mein gesamter Körper gerät in Panik. Ich versuche mich zu beruhigen. Wenn ich hyperventiliere, wird das Atmen noch schwieriger. Panik. Ich versuche einzuatmen, und Blut tropft mir in den Hals, und ich huste und würge, während mein Herz gegen meine Rippen pocht wie Fäuste, die eine Tür einschlagen wollen. Schläge, Schläge, Schläge, das Zimmer verschwimmt, und ich kann mich nicht bewegen.

34
Zwei Wochen später
    Die sich mir zu Ehren versammelt haben, sind ganz gewöhnliche Leute. Sie sitzen still da, nahezu ehrfürchtig, fast geschockt. Es ist nicht möglich, dass sie nicht alles wissen, was in den Medien berichtet wurde. Man müsste schon in Afrika leben, um nicht mitbekommen zu haben, was in den letzten Wochen passiert ist, vor allem in James City County, in einer Jauchegrube von Touristenfalle, die sich als das Auge eines monströsen Sturms aus Korruption und Verbrechen entpuppte.
    Der heruntergekommene, ungepflegte Campingplatz schien ein ruhiger Ort zu sein. Ich weiß nicht, wie viele Menschen dort in Zelten oder im Motel übernachteten und keine Ahnung hatten, was um sie herum wütete. Wie ein Hurrikan, der übers Meer davonzieht, sind die Verantwortlichen geflüchtet. Bev Kiffin ist, soweit wir wissen, nicht tot. Ebenso wenig Jay Talley. Ironischerweise wurde er bei Interpol zu einer Roten Meldung: Die Leute, für die er einst arbeitete, versuchen ihm mit allen nur erdenklichen Mitteln auf die Spur zu kommen. Auch Kiffin ist eine Rote Meldung. Man nimmt an, dass Jay und Kiffin die USA verlassen haben und sich irgendwo im Ausland verstecken.
    Jaime Berger steht vor mir. Ich sitze im Zeugenstand vor einer Jury aus drei Frauen und fünf Männern. Zwei sind weiß, fünf sind Afro-Amerikaner, einer ist Asiate. Die Rassen aller Opfer Chandonnes sind vertreten, obwohl das keine Absicht war, dessen bin ich sicher. Aber es erscheint mit gerecht, und ich freue mich darüber. Die Glasscheibe in der Tür zum Gerichtssaal wurde mit braunem Papier überklebt, damit Neugierige und Medien nicht hereinschauen können.
    Geschworene und Zeugen wurden über einen unterirdischen Zugang ins Gebäude gebracht, auf demselben Weg wie Häftlinge zu ihren Verhandlungen. Geheimhaltung sorgt für eine kühle Atmosphäre, und die Geschworenen starren mich an, als wäre ich ein Gespenst. Mein Gesicht ist noch immer grünlich gelb von den Schlägen, mein
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