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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier
Autoren: Patricia Cornwell
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linker Arm ist wieder eingegipst, und um die Handgelenke habe ich immer noch die Verbrennungen von dem Seil. Ich bin noch am Leben, weil Lucy unter ihrer Daunenjacke eine kugelsichere Weste trug.
    Berger stellt mir Fragen zu dem Abend, als Diane Bray ermordet wurde. Ich komme mir vor wie ein Haus, wo in jedem Zimmer eine andere Musik gespielt wird. Ich beantworte ihre Fragen, aber ich denke an etwas anderes, sehe andere Bilder vor mir und höre andere Geräusche in unterschiedlichen Bereichen meiner Psyche. Irgendwie gelingt es mir, mich auf meine Aussage zu konzentrieren. Das Band aus der Kasse wird erwähnt, auf dem der Kauf meines Maurerhammers belegt ist. Dann liest Berger aus dem Laborbericht vor, der dem Gericht als Teil der Akte übergeben wurde, ebenso wie das Autopsieprotokoll, der toxikologische und alle anderen Berichte. Berger beschreibt den Maurerhammer für die Geschworenen und bittet mich zu erklären, wie die Enden des Hammerkopfes mit Brays schrecklichen Verletzungen korrelieren. Das zieht sich eine Weile hin, und ich betrachte die Gesichter der Menschen, die hier sind, um ein Urteil über mich zu fällen. Ihre Mienen reichen von teilnahmslos über fasziniert bis zu entsetzt. Einer Frau wird sichtlich unwohl, als ich eingeschlagene Stellen im Schädel und ein Auge beschreibe, das aus der Augenhöhle hing. Berger weist darauf hin, dass der Maurerhammer, der in meinem Haus gefunden wurde, an einigen Stellen rostete. Sie fragt mich, ob der Hammer, den ich nach Brays Ermordung kaufte, Roststellen hatte. Ich verneine. »Könnte so ein Hammer innerhalb von ein paar Wochen anfangen zu rosten?«, fragt sie mich. »Dr. Scarpetta, ist es Ihrer Ansicht nach möglich, dass de r Zustand des Hammers durch Blut verursacht worden sein könnt e - der Zustand des Hammers, der in Ihrem Haus gefunden wurde und den, wie Sie sagen, Chandonne mitbrachte, als er bei ihnen eindrang?«
    »Meiner Ansicht nach nicht«, erwidere ich, weil ich weiß, dass es in meinem Interesse ist, so zu antworten. Aber das spielt keine Rolle. Ich würde auch die Wahrheit sagen, wenn sie nicht in meinem Interesse wäre. »Die Polizei sollte sich routinemäßig vergewissern, dass der Hammer trocken ist, bevor er in eine Tüte gelegt wird«, füge ich hinzu.
    »Und die Wissenschaftler, die den Maurerhammer untersuchten, kamen zu dem Ergebnis, dass er Roststellen aufwies, nicht wahr? Ich will wissen, ob ich diesen Laborbericht korrekt zitiere.« Sie lächelt kurz. Berger trägt einen schwarzen Hosenanzug mit hellblauen Nadelstreifen und geht mit kleinen Schritten hin und her, während sie sich durch den Fall arbeitet.
    »Ich weiß nicht, was in dem Bericht steht«, antworte ich. »Ich habe die Berichte nicht gelesen.«
    »Natürlich nicht. Sie waren seit ungefähr zehn Tagen nicht mehr in der Gerichtsmedizin. Und dieser Bericht wurde uns erst vorgestern übergeben.« Sie blickt auf das Datum auf der ersten Seite. »Hier steht, dass der Maurerhammer, auf dem sich Brays Blut fand, Roststellen hatte. Er sah alt aus, und ich glaube, dass die Verkäuferin von Pleasants Eisenwarenhandlung behauptet, dass der Hammer, den sie am Abend des 17. Dezember kaufte n - fast vierund zwanzig Stunden nach Brays Ermordung -definitiv nicht alt aussah. Er war brandneu. Ist das korrekt?«
    Erneut weise ich darauf hin, dass ich nicht wissen kann, was die Verkäuferin sagte. Die Geschworenen verfolgen jedes Wort, jede Geste. Berger stellt mir Fragen, die ich nicht beantworten kann, damit sie den Geschworenen das erzählen kann, von dem sie möchte, dass sie es wissen. Das Heimtückische und Großartige an dieser Art Verfahren ist, dass es keine n Verteidiger und keinen Richter gibt - niemand, der gegen Bergers Fragen Einspruch erheben kann. Sie kann mich fragen, was sie will, und das tut sie auch, denn in dieser höchst seltenen Ausnahme will der Anklagevertreter beweisen, dass die Angeklagte unschuldig ist. Berger fragt mich, um welche Uhrzeit ich aus Paris zurückkehrte und Lebensmittel einkaufte. Sie erwähnt, dass ich an jenem Abend Jo im Krankenhaus besuchte und anschließend mit Lucy telefonierte. Das Zeitfenster wird immer schmaler und enger. Wann hatte ich Zeit, zu Bray zu rasen, sie totzuschlagen, Beweise zu platzieren und den Tatort aussehen zu lassen, als hätte jemand anders das Verbrechen begangen? Und warum sollte ich nahezu vierundzwanzig Stunden nach der Tat einen Maurerhammer kaufen, wenn nicht, um das zu tun, was ich von Anfang an behauptet habe: um
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