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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier
Autoren: Patricia Cornwell
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registriere ich verschwommen, dass er weiß, wo ich die Nacht verbringen werde. Marino hat mir versprochen, meinen Aufenthaltsort geheim zu halten. Jay schließt die Tür und nimmt meine Hand, und ich muss ununterbrochen daran denken, dass er im Krankenhaus nicht auf mich gewartet hat und dass er mich jetzt von hier wegbringen will.
    »Lass mich dir helfen, diese Sache durchzustehen. Mir liegt an dir«, sagt er.
    »Gestern Abend schien niemandem besonders viel an mir zu liegen«, erwidere ich und kann nicht vergessen, dass er, als er mich vom Krankenhaus nach Hause fuhr und ich ihm für sein Warten und seine Anwesenheit dankte, mit keinem Wort andeutete, dass er in der Zwischenzeit weg gewesen war. »Du und dein Sonderkommando sucht dort draußen nach dem Mistkerl, und er kann ungestört bei mir klingeln«, fahre ich fort. »Du fliegst extra von Paris hierher, um dieses verdammte Sonderkommando bei der Großwildjagd nach diesem Monster anzuführen, und dann das. Wie in einem schlechten Film - all diese Supertypen mit ihren Anzügen und Waffen, und das Ungeheuer spaziert ungehindert in mein Haus.« Jays Augen wandern über gewisse Bereiche meiner Anatomie, als wären sie Rastplätze, die aufzusuchen er ein Recht hat. Es schockiert mic h und stößt mich ab, dass er in diesem Augenblick an meinen Körper denkt. In Paris glaubte ich, dass ich mich in ihn verlieben würde. Während ich jetzt mit ihm in meinem Schlafzimmer stehe und er sich ungeniert dafür interessiert, was sich unter meinem alten Kittel befindet, wird mir klar, dass mir überhaupt nichts an ihm liegt.
    »Du bist aufgebracht. Und du hast jeden Grund dazu. Ich mache mir Sorgen um dich. Ich bin da für dich.« Er versucht, mich zu berühren, und ich weiche zurück.
    »Wir hatten einen Nachmittag.« Das habe ich schon einmal zu ihm gesagt, aber jetzt meine ich es ernst. »Ein paar Stunden. Eine einmalige Sache, Jay.«
    »Ein Fehler?« Seine Stimme klingt gekränkt. Dunkler Zorn flackert in seinen Augen.
    »Versuch nicht, aus einem Nachmittag ein Leben zu machen, etwas mit einer dauerhaften Bedeutung. Die gibt es nicht. Tut mir Leid. Herrgott!« Ich werde immer empörter. »Du kannst doch jetzt nichts von mir wollen.« Ich entferne mich von ihm, gestikuliere mit meinem guten Arm. »Was willst du? Was zum Teufel hast du vor?«
    Er hebt eine Hand und lässt den Kopf hängen, wehrt meine Schläge ab und gesteht seinen Fehler ein. Ich bin mir nicht sicher, ob er ehrlich ist.
    »Ich weiß nicht, was ich tue. Ich bin ein Idiot, das bin ich«, sagt er. »Ich will nichts von dir wollen. Ich bin ein Idiot, weil ich etwas für dich empfinde. Mach mir das nicht zum Vorwurf. Bitte.« Er wirft mir einen intensiven Blick zu und öffnet die Tür.
    »Ich bin da für dich, Kay. Je t'aime.« Mir entgeht nicht, dass Jay eine Art hat, sich zu verabschieden, die mir das Gefühl gibt, ich würde ihn nie wieder sehen. Eine atavistische Panik erschüttert mich im Innersten, und ich widerstehe der Versuchung, ihn zurückzurufen, mich zu entschuldigen, ihm zu versprechen, dass wir bald zusammen zu Abend essen oder wa s trinken gehen werden. Ich schließe die Augen und massiere meine Schläfen, lehne mich kurz an den Bettpfosten. Ich sage mir, dass ich im Moment nicht weiß, was ich tue, und deshalb gar nichts tun sollte. Marino steht im Flur, eine nicht angezündete Zigarette im Mundwinkel, und ich spüre, dass er mir anzusehen versucht, was passiert ist, als Jay bei mir im Schlafzimmer war. Mein Blick streift durch den leeren Flur, und ich hoffe, dass Jay zurückkehren wird, während ich es gleichzeitig fürchte. Marino nimmt meine Taschen, und die Polizisten verstummen, als ich mich ihnen nähere. Sie vermeiden es, mich anzublicken, während sie in meinem großen Wohnraum ihrer Arbeit nachgehen. Ihre schwer beladenen Gürtel knarzen, Geräte klicken und klacken. Ein Ermittler fotografiert den Beistelltisch, das Blitzlicht explodiert gleißend weiß. Jemand anders macht eine Videoaufnahme, während ein Kriminaltechniker eine zusätzliche Lichtquelle, ein so genanntes Luma Light, aufstellt, die für das bloße Auge nicht erkennbare Fingerabdrücke, Drogenreste und Körperflüssigkeiten sichtbar macht. Im gerichtsmedizinischen Institut haben wir ein Luma Light, das wir routinemäßig an Tatorten und im Leichenschauhaus einsetzen. Ein Luma Light in meinem eigenen Haus zu sehen ist ein unbeschreibliches Gefühl.
    Möbel und Wände sind voller dunkler Puderflecken, der farbenprächtige
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