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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier
Autoren: Patricia Cornwell
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meinem Haus...« Meine Stimme wird immer lauter. Jede einzelne meiner Zellen protestiert gegen die bodenlose Ungerechtigkeit dieser ganzen Sache.
    »Zehnfünf Einheit dreiundzwanzig, er soll mich auf meinem Handy anrufen.« Marino hält sich das Mikro an den Mund. Einheit dreiundzwanzig meldet sich sofort, das Handy vibriert wie ein riesiges Insekt. Marino klappt es auf und spricht. »Irgendwie sind Journalisten ins Viertel reingekommen. Fotografen. Wahrscheinlich haben sie in Windsor Farms geparkt, sind über den Zaun gestiegen und über die freie Fläche hinter dem Wachhäuschen gegangen. Schick ein paar Leute los, die nach Falschparkern suchen sollen, und lass sie abschleppen. Sollten welche das Grundstück vom Doc betreten, verhafte sie.« Er beendet das Gespräch und klappt das Handy wieder zu, als wäre er Captain Kirk, der Raumschiff Enterprise gerade zum Angriff geordert hat.
    Am Wachhäuschen bleibt er stehen, und Joe kommt raus. Er ist ein alter Mann, der stolz seine braune Pinkerton-Uniform trägt, und er ist sehr freundlich, höflich und fürsorglich, aber ich traue ihm und seinen Kollegen nicht mehr als eine oberflächliche Kontrolle zu. Kein Wunder, dass Chandonne oder die Journalisten an ihm vorbeigekommen sind. Joes schlaffes, verrunzeltes Gesicht nimmt einen unsicheren Ausdruck an, als er mich sieht.
    »He, Mann«, sagt Marino schroff durch das offene Fenster, »wie konnten die Fotografen hier durchkommen?«
    »Was?« Joe geht sofort in die Defensive, er kneift die Augen zusammen und starrt auf die glatte, leere Straße. Die Natriumdampflampen hoch oben an den Masten sind umgeben von gelben Aureolen.
    »Vor dem Haus vom Doc. Mindestens drei.«
    »Hier sind sie nicht durch«, erklärt Joe. Er zieht sich in sein Häuschen zurück und greift zum Telefon.
    Wir fahren weiter. »Wir sind auch nicht allmächtig, Doc«, sagt Marino zu mir. »Du solltest besser den Kopf einziehen, weil die Scheißfotografen von jetzt an überall sein werden.« Ich starre aus dem Fenster auf schöne georgianische Häuser, die in weihnachtlichem Glanz erstrahlen.
    »Die schlechte Nachricht ist, dass deine Sicherheit wieder um einiges gefährdeter ist.« Er hält mir eine Predigt, sagt Dinge, die mir nicht neu sind und mich im Augenblick überhaupt nicht interessieren. »Denn die halbe Welt wird jetzt dein großes, schickes Haus sehen und genau wissen, wo du wohnst. Das Problem ist, und das macht mir echte Sorgen, dass jetzt andere Geisteskranke aus der Versenkung auftauchen und auf Ideen kommen können. Sie wittern das Opfer und fahren drauf ab, wie diese Wichser, die zu Verhandlungen von Vergewaltigungsfällen gehen.«
    Er hält an der Kreuzung Canterbury Road und West Cary Street, und Scheinwerferlicht streift uns, als ein dunkler Wagen abbiegt und stehen bleibt. Ich erkenne das schmale, langweilige Gesicht von Buford Righter, der zu Marinos Pickup sieht. Righter und Marino öffnen die Fenster.
    »Sie fahren weg.?«, sagt Righter, aber dann schweift sein Blick an Marino vorbei und bleibt überrascht an mir hängen. Ich habe das enervierende Gefühl, dass ich die Letzte bin, die er sehen will.
    »Tut mir Leid wegen der Schwierigkeiten«, sagt Righter sonderbarerweise zu mir, als ob das, was in meinem Leben passiert, nichts weiter wäre als schwierig, unerfreulich und unangenehm.
    »Ja, ich fahre.« Marino zieht an seiner Zigarette, legt keinerlei Entgegenkommen an den Tag. Er hat seine Meinung über Righters Auftauchen in meinem Haus bereits kundgetan. Es ist überflüssig, und wenn Righter wirklich glaubt, den Tatort selbst in Augenschein nehmen zu müssen, warum hat er es nicht früher getan, als ich noch im Krankenhaus war?
    Righter zieht sich den Mantel fester um die Schultern, auf seinen Brillengläsern funkelt das Licht der Straßenlampen. Er nickt und sagt zu mir: »Passen Sie auf sich auf. Freue mich, dass es Ihnen gut geht.« Er nimmt also meine so genannten Schwierigkeiten zur Kenntnis. »Es ist schwer für uns alle.« Ein Gedanke geht ihm durch den Kopf, aber er spricht ihn nicht aus. Was immer er als Nächstes sagen wollte, ist weg, zurückgenommen, aus den Akten gestrichen.
    »Ich werde mich mit Ihnen in Verbindung setzen«, verspricht er Marino.
    Fenster werden geschlossen. Wir fahren weiter. »Gib mir eine Zigarette«, sage ich zu Marino.
    »Ich nehme an, dass er heute nicht schon einmal da war«, fahre ich fort.
    »Doch, war er. Um zehn Uhr heute Morgen.« Er bietet mir die Schachtel Lucky Strikes ohne Filter
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