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Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Christiane Fux
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für Anna auffällig schick war, und er hatte die Besitzerin ausfindig machen können, weil er den Brief eines längst abgelegten Verehrers in einem Seitenfach gefunden hatte.
    Jutta seufzte kummervoll. Sie hatte Anna sehr gemocht. Und irgendwie packte sie nun leises Schaudern beim Anblick der Tasche. Sie öffnete noch einmal den Garderobenschrank und begutachtete den Inhalt: die schwarze Lacktasche, der praktische rote Ledershopper, die giftgrüne Fransentasche – ein viel zu jugendlicher Fehlkauf. Sie griff nach einem zierlichen Wildledertäschchen mit goldener Schnalle. Die würde zur Not auch gehen. Aber eben nur zur Not. Ihr Blick fiel durch die Tür auf die traumschöne Kelly-Bag. Nein, diese Tasche war einfach zu schade, um sie wegen eines Todesfalls zu verbannen. Entschlossen steckte sie ihre Ausrüstung für den Abend hinein: das – hoffentlich überflüssige – Portemonnaie, den Lippenstift, die Puderdose. Zufrieden ließ sie den Verschluss zuschnappen.
    Rudolf hatte sie mit Theaterkarten für die Oper überrascht: »Aida«. Jutta liebte Opern, die Musik, die Dramatik, die großen Gefühle! Der Abend war wunderbar. Für einen Endsechziger hatte Rudolf sich ausgesprochen gut gehalten. Er war schlank, besaß noch reichlich Haare, hielt sich gerade und hatte, was seine Kleidung betraf, einen vielversprechend guten Geschmack. In der Pause kaufte er Champagner statt Sekt, was ihm weitere Pluspunkte auf Juttas persönlicher Checkliste einbrachte, und er umsorgte sie auch sonst charmant. Jutta registrierte seine bewundernden Blicke mit Befriedigung. Fast tat es ihr leid, dass sie ihn, ihrem bewährten Drehbuch für Liebesbeziehungen folgend, noch zwei weitere Abende auf Abstand halten musste.
    Der letzte Akt der Oper ergriff Jutta wie immer besonders. Als der Priester den Kerker über Aida und ihrem Geliebten Radames verschloss und sie so dem sicheren Tod überantwortete, kullerten die Tränen über ihre Wangen. Schnüffelnd kramte sie in ihrer Handtasche. Wo waren nur die Taschentücher? Hatte sie sie vielleicht in der hinteren Tasche mit dem Reißverschluss verstaut? Während auf der Bühne die Sänger die Stimmen zum tragischen Finale erhoben, stießen Juttas Fingerspitzen auf einen unbekannten Gegenstand.
    Sonntag, 1. Februar 2009
    »Sie hat sie mir gleich heute früh gebracht«, sagte Lars zu Theo. Beide schauten ratlos auf die elegante, silberne Kuchengabel, die in einer Plastiktüte vor ihnen auf dem Tisch lag. Jutta wusste ganz sicher, dass sie das Besteckteil nicht in der Tasche deponiert hatte. Und die Einzige, der sie die Tasche je geborgt hatte, war Anna gewesen. In ihrer Verwirrung war Jutta damit zu Lars gegangen.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Anna auf ihre alten Tage kleptomanisch geworden ist«, hatte Jutta resolut gesagt. »Und dann diese Plastiktüte.« Sie ließ die Gabel in ihrer transparenten Hülle mit spitzen Fingern vor Lars’ Nase baumeln.
    »Ich meine, das sieht doch aus wie im ›Tatort‹. Da stecken sie die Beweisstücke doch auch immer in solche Plastiktüten. Und wo Fatih doch dauernd so komische Andeutungen macht, wenn ich ihn im Dönerladen sehe, dachte ich, es könnte vielleicht wichtig sein.«
    Das glaubten Theo und Lars nun auch. Aber in welcher Hinsicht?
    »Mal angenommen, Anna hat die Gabel tatsächlich bei ihrem Besuch bei Bergman eingesteckt …«
    »Und angenommen, sie hatte so was sogar geplant und eigens zu diesem Zweck die Plastiktüte mitgenommen …«
    »Fingerabdrücke?«
    »Kann nicht sein. Dann bräuchte sie ja konservierte Vergleichsabdrücke von vor siebzig Jahren, um Sven von Vries zu überführen.« Lars schüttelte den Kopf.
    »Genetischer Abgleich?«
    »Dito. Auch dafür bräuchte sie einen Vergleich.«
    »Wer weiß, vielleicht hat sie ja eine Locke von seinem Haar aufbewahrt.«
    »So was habe ich bei ihr nicht gefunden. Anna war offenbar nicht besonders sentimental veranlagt. Und außerdem: Sind Haare nicht nur dann für einen Gentest zu gebrauchen, wenn die Wurzeln noch dran sind?«
    »Stimmt auch wieder. Und dass sie ihm damals ein Büschel Haare ausgerissen hat, ist wohl kaum anzunehmen.«
    »Wir geben es einfach der Polizei. Sollen die schauen, was sie damit anfangen.«
    Später rief Theo Hanna an, um ihr von dem seltsamen Fund zu berichten.
    »Merkwürdig, oder?«
    Hanna schwieg. Er sah sie vor sich, wie sie gedankenverloren an ihrer Unterlippe zupfte. Bei der Vorstellung musste er lächeln.
    »Mir kommt da gerade eine völlig irre
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