Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Christiane Fux
Vom Netzwerk:
Idee.«
    »Was ja nichts Neues wäre.«
    Hanna schnaubte in gespielter Empörung. »Das würde ich am liebsten sofort nachprüfen«, sagte sie dann. »Ich melde mich gleich noch mal.«
    Fünf Minuten später rief sie wieder an. »Hast du gerade Zeit?«
    »Klar.«
    »Dann komme ich am besten vorbei. Das musst du dir ansehen.«

Kapitel 20
     
    Der letzte Akt
     
    Sonntag, 1. Februar 2009
    Auf dem Tisch lagen zwei Fotos. Das eine glaubte Theo bereits in- und auswendig zu kennen: Es war das Bild von Bergman auf der Jacht, das sie allen potenziellen Zeugen vorgelegt hatten. Hanna hatte es vergrößert und beschnitten, sodass nur Bergmans leicht grobkörniges Gesicht zu sehen war. Das andere Bild war zum selben Format zurechtgestutzt. Theo erinnerte sich: Es war unter den wenigen Fotos gewesen, die Anna aufbewahrt hatte: ein Ausschnitt vom Hochzeitsbild ihres Sohnes Erik.
    »Schau sie dir genau an«, forderte Hanna ihn auf. Theo verglich die rundlichen, weichen Züge von Erik mit den scharf geschnittenen von Bergman. Eriks rote Locken und das glatte dunkle Haar. Den weichen Mund und die energischen Lippen, die kleine Knubbelnase und den schmalen, geraden Nasenrücken. Theo blickte verwirrt zu Hanna. »Worauf willst du hinaus?«
    »Schau dir die Augen an«, sagte sie nur. Und in der Tat, obwohl der eine zutiefst unsicher blickte und der andere vor Selbstbewusstsein strotzte, ließ sich hier eine frappierende Ähnlichkeit ausmachen. Beide Augenpaare waren sehr hell. Und sie waren ähnlich geschnitten und von langen Wimpern umkränzt. Sogar der Schwung der Augenbrauen wirkte ähnlich. Versuchsweise deckte Theo die obere und untere Gesichtspartie ab, sodass ihn nur noch die Augen anblickten.
    »Das könnte natürlich Zufall sein.«
    »Ich weiß. Wenn man nach etwas sucht, findet man auch etwas. Aber überleg doch mal, das würde alles erklären: Wenn Bergman Eriks Vater ist, ist es kein Wunder, dass Anna sich darüber immer ausgeschwiegen hat. Ich meine, wer will seinem Kind schon erzählen, dass er der Sohn eines Mannes ist, der Menschenversuche gemacht hat. Es würde außerdem erklären, warum Anna, die ja sonst für alle ein großes Herz hatte, ausgerechnet ihrem Sohn so distanziert gegenüberstand.«
    Sie wies auf die beiden Fotos in Theos Hand.
    »Sie hat in ihm auch immer seinen schrecklichen Vater gesehen. Er hat sie immer daran erinnert, dass sie sich mit einem Monster eingelassen hat. Und drittens«, sie reckte drei Finger der linken Hand wie zum Schwur empor, »drittens ist das die einzige vernünftige Erklärung für diese Kuchengabel: Sie wusste, woher sie sich genetisches Vergleichsmaterial beschaffen konnte, um Bergman zu überführen: Es steckt in jeder Körperzelle ihres Sohnes.«
    Theo legte die Bilder nachdenklich wieder auf den Tisch.
    »Das klingt tatsächlich logisch«, räumte er ein. »Aber natürlich ist das alles auch reine Spekulation. Ich weiß nicht, ob das der Polizei reicht.«
    »Dann lass uns versuchen, noch einmal mit Line zu reden. Wenn sie bestätigen kann, dass Anna und Sven von Vries ein Paar waren, wäre das doch wirklich ein überzeugendes Argument.«
    Montag, 2. Februar 2009
    Doch Line erinnerte sich nicht. »Ich kenn keine Anna«, sagte sie auf Emils behutsame Fragen unwirsch. Dann sprang sie auf und lief aus dem Zimmer wie ein störrisches Kind.
    »Es macht ihr Angst, wenn sie merkt, dass sie sich eigentlich erinnern müsste, und da nichts ist als ein schwarzes Loch.«
    Theo nickte. Die Vorstellung erfüllte auch ihn mit Schrecken. Selbst heute kam es schon vor, dass Lars sich an eine Begebenheit vor zwanzig Jahren erinnerte, die in seinem Hirn komplett gelöscht war.
    »Das musst du doch noch wissen«, sagte Lars dann immer drängend und ungläubig, als ob die Tatsache, dass das Erlebnis aus Theos Erinnerung verschwunden war, das Ganze auch für Lars zweifelhaft machte. Noch waren es nur Tage oder Stunden, die im Gewirr der Neuronen verloren gegangen waren. Wie mochte es sich anfühlen, wenn man eines Tages feststellen musste, den besten Freund, die erste große Liebe oder die eigenen Geschwister vergessen zu haben? Denn oft wussten Alzheimerpatienten sehr wohl um den Verlust, ohne sich an das erinnern zu können, was sie vermissten. Und ganz zum Schluss verlor man sich selbst. Alzheimer, die unbarmherzige Krankheit, die einem nicht nur die Zukunft raubte, sondern auch die Vergangenheit, bis die eigene Existenz auf einen winzigen Punkt zusammenschnurrte: das Jetzt.
    »Und Sie«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher